Narzissmus ist ein Modebegriff geworden. Dabei kursieren viele Meinungen und Halbwissen. Ein bisschen narzisstisch sind wir alle. Das kann sogar manchmal von Vorteil sein. Doch es gibt auch krankhaften Narzissmus. Dabei handelt es sich um eine ernstzunehmende Persönlichkeitsstörung, die vor allem im Umfeld des Narzissten enormen Schaden anrichten kann.
Hier erfährst du, was du über diesen gefährlichen Narzissmus wissen musst, um ihn rechtzeitig zu erkennen, angemessen zu reagieren und dich selbst zu schützen. Übersichtlich und bullshitfrei.
Was ist Narzissmus?
Narzissmus als Krankheitsbild lässt sich am treffendsten mit den 5-Es des österreichischen Psychiaters Dr. Reinhard Haller beschreiben: Egozentrismus, Eigensucht, Empathielosigkeit, Empfindsamkeit, Entwertung.
Je ausgeprägter diese Eigenschaften sind, desto höher ist der Krankheitswert des Narzissmus. In schweren Fällen spricht man von einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung, in leichteren von einem narzisstischen Persönlichkeitsstil.
Dennoch gibt es nicht DEN Narzissten. Nahezu jeder Mensch hat auch gesunde Anteile in sich, die den krankhaften gegenüberstehen. So hat auch jeder Narzisst seine individuelle Färbung. Hinzu kommt, dass krankhafter Narzissmus häufig gemeinsam mit anderen psychischen Störungen auftritt, was das Bild verzerren kann.
Hier erläutere ich die 5-Es im Detail und lasse auch Sigmund Freud zu Wort kommen, der sich als einer der ersten mit dem Thema Narzissmus auseinandergesetzt hat: >>> Was ist Narzissmus?
Narzissmus Symptome
Obwohl Narzissmus für Laien auf den ersten Blick nicht immer klar zu erkennen ist, gibt es eindeutig definierte klinische Symptome, die zur Diagnosestellung herangezogen werden. Du kannst sie als Ergänzung zu den oben genannten 5-Es nach Dr. Richard Haller ansehen.
Wenn du sie kennst, fällt es dir selbst leichter, Hinweise auf eine Narzisstische Persönlichkeitsstörung zu erkennen. Aber Vorsicht: Die eigentliche Diagnose bleibt den Fachleuten vorbehalten.
>>> Hier findest du die offiziellen Diagnosekriterien des DSM-V für krankhaften Narzissmus
Mythos von Narziss und Echo
Der Begriff Narzissmus geht auf den uralten Mythos vom schönen selbstverliebten Jüngling Narziss und der verschmähten Nymphe Echo zurück, von dem viele verschiedene Versionen existieren.
Die alten Dichter hatten eine grandiose Beobachtungsgabe und waren geborene intuitive Psychologen. Sie haben das Wesen des krankhaften Narzissmus und seine Auswirkungen auf menschliche Beziehungen schon damals mit verblüffender Genauigkeit eingefangen.
>>> Lies hier den Mythos von Narziss und Echo in meiner Lieblingsversion
Welche Narzissmus-Typen gibt es?
Krankhafter Narzissmus hat viele Gesichter. Manche davon können wie das exakte Gegenteil von Narzissmus wirken. Von einigen hast du vielleicht bereits gehört, andere Narzissmus-Typen sind dagegen weitestgehend unbekannt. Je besser du die Unterschiede kennst, desto besser kannst du dich schützen. Denn manche sind wirklich nicht ohne.
Hier stelle ich dir die folgenden Narzissmus-Typen im Detail vor: Amouröser Narzissmus, Altruistischer Narzissmus, Exhibitionistischer Narzissmus, Grandios-maligner Narzissmus, Kommunaler Narzissmus, vulnerabel-fragiler (verdeckter) Narzissmus und weiblicher Narzissmus:
Hier findest du alle Typen im Detail: >>> Narzissmus-Typen: Ein Krankheitsbild - viele Gesichter
Wie entsteht Narzissmus?
Damit Narzissmus entsteht, müssen mehrere Ursachen zusammenkommen (multifaktorielle Genese). Zwillingsstudien an eineiigen und zweieiigen gemeinsam und getrennt aufwachsenden Geschwistern sowie Adoptionsstudien konnten einen hohen genetischen Faktor für die Narzisstische Persönlichkeitsstörung nachweisen.
Trifft diese Veranlagung auf ungünstige psychosoziale Umweltbedingungen, ist die Entwicklung narzisstischer Züge bei den Betroffenen hoch wahrscheinlich. Besonders großen Einfluss hat der Erziehungsstil der Eltern. Die drei in Fachkreisen am meisten diskutierten Faktoren sind in diesem Zusammenhang:
- Die narzisstische Mutter
- Die fehlende Spiegelung des Kindes
- Die konstante Überschätzung des Kindes
In diesem Beitrag gehe ich detailliert auf die verschiedenen Narzissmus-Ursachen ein. Das Wissen um die verschiedenen Ursachen der Entstehung von Narzissmus hilft dir nicht nur, Narzissten allgemein besser zu verstehen sondern kann dir auch wertvolle Hinweise für den Umgang mit deinen eigenen Kindern liefern:
>>> Narzissmus-Ursachen: Wie er entsteht und wie man ihn verhindern kann
Wenn du dich speziell über die narzisstische Mutter informieren möchtest, wirst du in diesem Beitrag fündig:
>>> Die narzisstische Mutter - Wie sie dich geprägt hat und wie du dich befreist
Narzisstische Zufuhr
Ein Mensch mit pathologischem Narzissmus ist abhängig von narzisstischer Zufuhr. Narzisstische Zufuhr kann alles sein, was Narzissten hilft, sein überhöhtes Selbstbild zu stützen.
Dazu zählt beispielsweise
- jede Form der Anerkennung und Bewunderung
- besser zu sein als andere
- eine Machtposition innezuhaben
- Statussymbole
- usw.
Je nach Narzissmus-Typ kommen auch andere Zufuhrquellen in Frage. So ziehen manche besonders maligne Narzissten ihre Zufuhr daraus, Macht über andere auszuüben. Es verschafft ihnen ein Hochgefühl, andere zu manipulieren und sich daran zu ergötzen, dass diese nichts davon bemerken.
Dazu kann auch das Überlegenheitsgefühl zählen, einen anderen Menschen regelrecht fertiggemacht zu haben. Besonders wenn dieser den Narzissten zuvor gekränkt hat. Denn Narzissmus geht mit einer stark erhöhten Kränkbarkeit einher.
Narzisstische Kränkung und narzisstische Wut
Narzissten sind extrem leicht kränkbar. Dazu braucht es oft nicht einmal ausgesprochene Kritik. Viele sind so empfindsam, dass sie sich schon zutiefst gekränkt fühlen, wenn sie sich nicht angemessen bewundert fühlen.
So können sie beispielsweise ausrasten, wenn sie finden, dass sie in einem Restaurant nicht schnell genug bedient wurden.
Da ein Mensch mit krankhaftem Narzissmus sich selbst überhöht, entwickelt er eine enorme Anspruchshaltung. Er meint, alles Gute stehe ihm zu, ohne dass er etwas dafür tun müsste.
Wird ihm dies dann vorenthalten, kommt das einer narzisstischen Kränkung gleich, auf die er mit starker narzisstischer Wut schon angesichts kleinster Anlässe reagieren kann. Als narzisstische Kränkung kann dabei alles dienen, was nicht zu seinem grandiosen Selbstbild passt oder dieses gefährdet. Dabei muss die narzisstische Kränkung nicht zwingend von anderen Menschen ausgehen.
Fast noch gefährlicher ist eine narzisstische Kränkung für die Betroffenen, wenn sie feststellen müssen, dass sie ihrem grandiosen Selbstbild nicht oder nicht mehr gerecht werden. Dies geschieht häufig, wenn Narzissten altern. Eine schwere narzisstische Kränkung kann bei ausgeprägtem Narzissmus bis zum Suizid führen.
Wird Narzissmus im Alter besser oder schlimmer?
Das ist pauschal nicht zu beantworten. Man kann jedoch sagen, dass es vielen Narzissten im Alter schlechter geht. Das erklärt sich aus der Störung selbst, da es mit den Einschränkungen, die das Alter natürlicherweise mit sich bringt, immer schwieriger wird, das eigene grandiose Selbstbild aufrechtzuerhalten.
Je weiter ein Narzisst körperlich abbaut, desto mehr bröckelt sein überhöhtes Selbstbild. Er wird immer häufiger feststellen, dass er in einigen Bereichen mit den Jüngeren nicht mehr mithalten kann. Auch seine Attraktivität lässt meist im Alter nach. Das alles kommt einer ausgeprägten narzisstischen Kränkung gleich.
Hinzu kommt noch, dass ein Narzisst im Laufe seines Lebens immer mehr Erfahrungen sammelt, bei denen er mit seinen antisozialen Verhaltensweisen bei anderen aneckt.
Manche kommen dann in eine narzisstische Krise, die sie ein Stück weit öffnet und in einem gewissen Rahmen für eigene Entwicklung zugänglicher macht. Die Mehrheit rutscht jedoch immer weiter ab. So haben Narzissten ein stark erhöhtes Suchtrisiko. Sie versuchen dadurch, die emotionalen Folgen ihres bröckelnden Selbstbildes abzupuffern.
Viele Narzissten enden in einer schweren Depression, aus der sie kaum wieder herauskommen. Den völligen Zusammenbruch des überhöhten Selbstbildes eines pathologischen Narzissten nennt man Melt Down (Kernschmelze). Er hat oft gravierende Folgen.
Denn Narzissmus hat mit etwa 15 Prozent die mit Abstand höchste Suizidrate aller klinischen Persönlichkeitsstörungen. Daran kannst du auch erkennen, wie verzweifelt ein Narzisst auf das Empfinden seiner eigenen Grandiosität angewiesen ist. Vielen scheint es leichter zu sein, aus dem Leben zu scheiden, als sich selbst auf ein menschliches Normalmaß zu beschränken.
Wo hört Egoismus auf und fängt Narzissmus an?
Einen gewissen Egoismus legen die meisten von uns an den Tag. Daran ist auch nichts verkehrt. Er hilft uns, für unsere Bedürfnisse einzustehen und uns zur Not auch mal durchzusetzen. Dennoch wäre es falsch, Narzissten einfach als sehr ausgeprägte Egoisten zu bezeichnen.
Am deutlichsten werden die Unterschiede beim Umgang mit Kritik. Egoisten sind Menschen mit einem hohen Maß an Selbstbewusstsein. Sie nehmen sich wichtig. Andere Menschen sind ihnen mehr oder weniger egal. Ganz anders beim Narzissten. Er verhält sich zwar so, als wären ihm die anderen egal, doch ist er im Gegensatz zum Egoisten auf seine permanente narzisstische Zufuhr durch die anderen angewiesen.
Durch sein überhöhtes Selbstbild und seine ausgeprägte Anspruchshaltung sowie die Phantasien über seine eigene Grandiosität ist er Kritik gegenüber extrem empfindlich und trägt sie dem Kritiker oft jahrelang nach. Gefährliche Narzissten verspüren nach einer Kritik eventuell sogar das starke Verlangen, den Kritiker zu zerstören.
Auch in ihrem Zugang zu anderen Menschen unterscheidet sich ein Mensch mit ausgeprägtem Narzissmus von einem Egoisten. Während Narzissten nicht in der Lage sind, eine echte Beziehung auf Augenhöhe zu führen und ihre Mitmenschen eher instrumentalisieren, sind Egoisten durchaus beziehungsfähig. Ihnen mangelt es meist auch nicht an Empathie. Sie geben nur ihren eigenen Bedürfnissen eher den Vorrang vor denen anderer.
Der Psychologe Stephen Johnson*1 unterscheidet den narzisstischen Persönlichkeitsstil von der narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Der narzisstische Persönlichkeitsstil ist eine mildere Vorstufe einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung.
Menschen mit einem narzisstischen Persönlichkeitsstil sind häufig dominant, streben stark nach Aufmerksamkeit, sind hochgradig egoistisch und auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Sie wollen spüren, dass sie anderen überlegen sind und es kümmert sie nur bis zu einem gewissen Grad, wie andere sich unter ihnen fühlen.
Mitunter können Menschen mit einem narzisstischen Persönlichkeitsstil sehr charismatisch wirken und sind häufig beruflich erfolgreich, da unsere auf Leistung und Konkurrenz ausgelegte Gesellschaft viele ihrer Eigenschaften und Verhaltensweisen sogar fördert.
Im Gegensatz zu Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung sind sie jedoch deutlich beziehungsfähiger. Sie sind bis zu einem gewissen Maß empathisch und haben Grenzen, wenn diese auch oft über ein gesundes Maß hinaus gehen.
Die gleichen Eigenschaften sind bei Menschen mit einer echten narzisstischen Persönlichkeitsstörung so ausgeprägt, dass sie es als existenziell bedrohlich empfinden, wenn sie stark gekränkt werden oder ihre narzisstische Zufuhr versagt. Sie sind nur zu kalter Empathie fähig und nicht in der Lage, tragfähige Ich-Du-Beziehungen zu führen.
Am unteren Ende des Spektrums liegen die malignen Narzissten. Hierbei handelt es sich im Grunde um Psychopathen, die über Leichen gehen. Manchmal sprichwörtlich, manchmal wortwörtlich.
Bezeichnend für malignen Narzissmus ist ein hochgradig antisoziales Verhalten, häufig gepaart mit Sadismus, der Unfähigkeit, sich an Regeln oder Gesetze zu halten, ständigem Lügen, ausgeprägtem Hang zu Kriminalität, vollständig fehlendem Mitgefühl und weiteren hochgefährlichen Eigenschaften.
Sind Narzissten krank oder einfach nur böse?
Das ist letztendlich eine eher philosophische Frage, die mit vielen moralischen Urteilen einhergeht. Klinisch gesehen handelt es sich bei Narzissmus um ein klar beschriebenes psychisches Krankheitsbild, das wiederum in seinen Auswirkungen auf andere Menschen bösartige Folgen hat. Ausgeprägte Narzissten sind oft hochgradig fremdschädigend.
Meiner persönlichen Meinung nach bringt es ebenso wenig, Narzissten zu verteufeln und ihnen reine Mutwilligkeit bei all ihren destruktiven Handlungen zu unterstellen, wie alles damit zu entschuldigen, dass Narzissmus eine psychische Störung ist.
Ersteres führt dazu, dass die Handlungen des Narzissten allzu persönlich genommen werden, Letzteres ist besonders für Co-Narzissten gefährlich, da bei ihnen ohnehin die Neigung entsteht, das schädigende Verhalten des Narzissten herunterzuspielen oder zu entschuldigen und somit das eigene Leid aus dem Blick zu verlieren.
Sind toxische Menschen immer Narzissten?
Als toxischen Menschen bezeichnet man jemanden, der durch seine Persönlichkeitsmerkmale und sein Verhalten eine stark schädigende Wirkung auf seine Mitmenschen hat. Menschen mit pathologischem Narzissmus zählen hier in der Regel dazu. Sie weisen typische Merkmale einer sogenannten Cluster-B-Persönlichkeit auf, zu denen man neben der narzisstischen auch die antisoziale, die Borderline- und die schizotype Persönlichkeitsstörung zählt.
>>> Hier erfährst du alles über Cluster-B-Persönlichkeitstypen
Maligner Narzissmus
Maligner Narzissmus (auch bösartiger Narzissmus) bezeichnet die gefährlichste Form des Narzissmus. Hier sind die narzisstischen Persönlichkeitsmerkmale besonders schädigend für das Umfeld des malignen Narzissten. Ein maligner Narzisst weist in der Regel weitere hoch toxische Wesensmerkmale auf, die zum Kreis der so genannten dunklen Triade gehören.
Vor malignen Narzissten musst du dich in Acht nehmen. Sie können enormen Schaden anrichten und schrecken oft auch vor massiver körperlicher Gewalt nicht zurück. Das zeigt auch der Erfahrungsbericht von Renate, einer Leserin meiner Beiträge, die sich auf einen Aufruf gemeldet hat, um ihre Geschichte mit anderen Betroffenen zu teilen.
>>> Erweitere hier dein Wissen über malignen Narzissmus und lerne von Renates Erfahrungen
Red Flags & narzisstische Manipulationstechniken
Narzissten sind Meister der Manipulation. Ihr Repertoire ist schier unerschöpflich und die meisten sind extrem geschickt darin, die Wahrnehmung ihrer Mitmenschen so zu verdrehen, dass diese hinterher nicht mehr wissen, was richtig und was falsch ist. Narzissten beherrschen dieses Spiel so gut, dass sogar geübte Psychologen und viele mit Narzissmus zu unerfahrene Therapeuten auf sie reinfallen.
Das verursacht leider immer wieder enormes Leid, besonders in der Paartherapie. Narzissten manipulieren ihr gesamtes Umfeld. Es ist ihre emotionale Überlebensstrategie, die sie seit ihrer Kindheit perfektioniert haben. So haben sie gelernt, zu bekommen, was sie wollen.
Wenn du diese Manipulation bei deinem Gegenüber entdeckst, ist Vorsicht geboten. Sie sind gleichzeitig typische Warnhinweise (Red Flags) für toxische Menschen. Je besser du sie im Detail verstehst, desto eher kannst du dich schützen und angemessen auf sie reagieren.
Hier findest du die wichtigsten narzisstischen Manipulationstechniken im Überblick:
>>> Narzissmus Manipulation – 34 Red Flags, die du unbedingt kennen solltest
Ist Narzissmus therapierbar?
Leider gelten sämtliche Erkrankungen aus den Cluster-B-Persönlichkeitsstörungen als unheilbar. Dennoch kann man in einer umfangreichen Therapie bei moderaten Narzissten manchmal eine gewisse Besserung zumindest auf der Verhaltensebene erzielen.
Vor allem dann, wenn sie zu einer gewissen Krankheitseinsicht gelangen und selbst stark unter den sozialen Folgen ihres Narzissmus leiden.
Die Erfolgsaussichten einer Narzissmus-Therapie hängen dabei in großem Maße von der Ausprägung der Störung und dem Vorhandensein tragfähiger gesunder Persönlichkeitsanteile ab.
Die Therapie kann ziemlich zäh und langwierig werden. Ebenso braucht es dafür sehr gut ausgebildete Therapeuten mit einer speziellen Zusatzausbildung (sehr selten) zur effektiven Therapie von Narzissmus. Einige gehen davon aus, dass die Therapie von Narzissmus sich mindestens über einen Zeitraum von 5 - 10 Jahren erstrecken muss, um effektiv und nachhaltig zu sein. Das ist meist schon aufgrund der anfallenden Therapiekosten kaum möglich.
In der Therapie geht es unter anderem darum, die narzisstisch verzerrten Denk- und Wahrnehmungsmuster positiv zu verändern. Schätzungen gehen davon aus, dass sich so nach einigen Jahren bei ca. der Hälfte der therapierten Patienten eine Reduzierung der Narzissmus-Symptome ergibt. Jedoch geht es - wie in jeder anderen Therapie auch - nicht ohne die Mithilfe des Patienten und dessen aufrichtigen Wunsch, sich zu verändern. Und dieser ist besonders beim Narzissmus in den seltensten Fällen gegeben.
Narzissmus wird Ich-synton erlebt
Die Betroffenen empfinden ihren Narzissmus als Ich-synton.
Das bedeutet, dass sie die Symptome der Erkrankung als zu sich gehörig wahrnehmen, nicht als Krankheit. Der Narzissmus ist demnach ein zugehörig empfundener Teil ihrer Persönlichkeit und sie erkennen nichts Falsches daran.
Ein Mensch, der beispielsweise an einer Zwangserkrankung leidet, empfindet diese als Ich-dyston. Er weiß, dass seine Symptome durch seine psychische Störung verursacht werden und an sich keinen Sinn machen. Er erlebt sie nicht als Teil seiner Persönlichkeit und würde sie in der Regel gerne loswerden.
Das ist beim Narzissmus gewöhnlich nicht der Fall. Deshalb ist es auch extrem unwahrscheinlich, dass sich ein Betroffener freiwillig in Therapie begibt. Er empfindet sich nicht als gestört. Er leidet höchstens unter den Reaktionen seiner Mitmenschen.
Gummiband-Theorie
In Fachkreisen spricht man in Bezug auf die therapeutischen Erfolgsaussichten für Narzissten auch von der "Gummiband-Theorie" (kein offizieller Begriff).
Narzissten sind trainierbar, aber nicht therapierbar. Und selbst das nur bei gering ausgeprägtem Narzissmus, vorhandener Krankheitseinsicht und starker Therapiebereitschaft. Sie können lernen, sich zusammenzureißen, ihre Impulse zu kontrollieren, empathischer zu agieren (nicht zu fühlen), etc. Das kann in diesen seltenen Fällen auch über eine längere Zeit gut gehen.
Doch verhält es sich auch dann wie bei einem gespannten Gummiband. Sobald zusätzlicher Stress hinzu kommt, beispielsweise durch Probleme mit dem Chef, eine Midlife-Crisis oder ähnliches, schnappt das System des Narzissten unweigerlich in die alten narzisstischen Muster zurück. Oft wird es dann sogar noch schlimmer, als zuvor.
Hinzu kommt, dass Narzissten aufgrund der Eigenarten ihrer Selbstwahrnehmung normalerweise keinen Anlass sehen, in Therapie zu gehen. Sie kommen wenn überhaupt nur dann, wenn sie darunter leiden, dass ihr Leben auseinanderfällt.
Pathologischer Narzissmus bleibt für alle Beteiligten ein tragisches Krankheitsbild ohne nachhaltige Heilungschancen.
Wie narzisstisch bist du selbst?
Im Gegensatz zu pathologischen Narzissten fragen sich das meiner Erfahrung nach besonders sehr selbstreflektierte Menschen. Es gibt einen einfachen Narzissmus-Test, der lediglich aus 3 Fragen besteht. Wenn du sie alle ehrlich positiv beantworten kannst, ist es eher unwahrscheinlich, dass bei dir ein klinisch relevanter Narzissmus als Persönlichkeitsstörung vorliegt.
Ist Narzissmus im Kommen?
Wissenschaftlich ist noch nicht eindeutig erwiesen, ob unsere Gesellschaft und Kultur dazu beitragen, dass wir immer mehr Narzissten bekommen. Dennoch gibt es immer mehr einzelne Studien, die zu diesem Ergebnis kommen.
Unsere heutige Lebensform und insbesondere die Möglichkeit, via Social Media unsere Selbstdarstellung fast nach Blieben zu steuern, geben unseren narzisstischen Persönlichkeitsanteilen eine nie gekannte Bühne.
Darüber hinaus scheinen Werte wie gegenseitige Wertschätzung, Respekt, Empathie und Nächstenlieben immer mehr wirtschaftlichen Interessen zu weichen, was ebenfalls narzisstische Tendenzen auf gesellschaftlicher Ebene fördert.
Smartphone und Social Media
Nüchtern betrachtet gibt es kaum etwas Narzisstischeres, als permanent eine Kamera auf sich selbst zu richten. Dass dies für uns zu einem völlig normalen gesellschaftlichen Phänomen geworden ist, spricht Bände.
Laut der Egotech-Studie*, die das Mafo Institut Lightspeed im Auftrag von Syszygy durchgeführt hat, sind unsere Smartphones reine Narzissmus-Verstärker. Das gilt besonders für die "Digital Natives" (Millenials), also die Jahrgänge 1981 - 1998.
Untersucht wurde in der Studie der Zusammenhang zwischen Social Media, Smartphones und on Demand Apps (beispielsweise Amazon Prime Video oder Netflix) und Narzissmus. Für die Studie wurden insgesamt 1.024 deutsche Millenials und 1.004 ältere Deutsche befragt. Heraus kam folgendes:
- Millenials tendieren zu 13% mehr zu Narzissmus, als ältere Mitbürger.
- Wer täglich drei oder mehr Posts auf Social Media macht, ist um 25% selbstsüchtiger, als jemand, der weniger postet. Im Schnitt posten Millenials 2 - 3 Selfies pro Woche. Demnach handelt es sich bei jedem dritten geposteten Bild um ein Selfie.
- Millenials sind um ca. 30% süchtiger nach ihrem Smartphone, als nicht Digital Natives. Das bedeutet nicht, dass die anderen nicht süchtig danach wären. Millenials sind lediglich nochmals 30% süchtiger, als die anderen. Die Studie ergab weiter, dass 48% der Digital Natives lieber einen Monat auf ihr Frühstück verzichten würden, als genauso lange auf ihr Smartphone. 28% war das Smartphone dann sogar wichtiger als Sex, denn sie gaben an, darauf lieber einen Monat zu verzichten, als auf ihr Handy.
Was ist Co-Narzissmus?
Co-Narzissmus ist wie wie das Gegenstück zum Narzissmus. Beide verbindet ein ähnlicher Grundkonflikt, mit dem beide jedoch vollkommen unterschiedlich umgehen. In ihrem Verhalten zeigen Co-Narzissten große Ähnlichkeit mit den relativierenden und beschwichtigenden Verhaltensweisen der Angehörigen und Partner von Suchtkranken. Hieran ist der Begriff auch angelehnt.
Zwischen Narzissten und Co-Narzissten besteht ein besonderer Magnetismus, weshalb sie sich häufig in einer toxischen Beziehung miteinander wiederfinden, bei der beide ähnlich abhängig voneinander sind.
Bist du selbst betroffen? Hier findest du es heraus: >>> Co-Narzissmus: Über die Sucht, gebraucht zu werden
*1Johnson, Stephen, M.: Der narzisstische Persönlichkeitsstil. Integratives Modell und therapeutische Praxis. Köln (1988) 2006
*https://www.wuv.de/marketing/millennials_studie_smartphones_fuehren_zu_narzissmus
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