Narzissmus Ursachen: Wie er entsteht und wie man ihn verhindern kann

Narzissmus Ursachen verstehen

Die Entstehung einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung kann verschiedene Ursachen haben. Die drei wesentlichen stelle ich dir im Folgenden vor. Das hilft dir nicht nur, Narzissmus besser zu verstehen, sondern auch deine eigenen Kinder zu schützen, sofern du welche hast. Denn zu den möglichen Narzissmus-Ursachen gehören bei weitem nicht nur besonders lieblose Eltern.

Narzissmus-Ursachen: Wie Narzissmus entsteht

Auch beim Narzissmus gibt es eine genetischen Veranlagung (Disposition). Das haben diverse Zwillingsstudien eindeutig nachgewiesen. Die Veranlagung allein reicht jedoch nicht aus, um die Krankheit ausbrechen zu lassen.

Mindestens genauso ausschlaggebend für die Entstehung von Narzissmus sind besondere Bedingungen in der Ursprungsfamilie, vor allem in der Mutterbindung. Narzissten werden gemacht, aber es müssen verschiedene Faktoren zusammenkommen.

Zur allgemein Verwirrung kommt noch hinzu, dass es auch in der gesunden Entwicklung jeden Kindes eine narzisstische Phase gibt. Lass mich im Folgenden ein wenig Licht ins Dunkel bringen.

Narzisstische Phase in der normalen kindlichen Entwicklung

Wie bereits erwähnt haben wir alle narzisstische Anteile in uns. Keiner ist davon ganz frei und in einer gesunden Ausprägung muss das auch nichts Schlechtes sein. Zumindest auf der aktuellen Stufe unserer gesellschaftlichen Entwicklung. Sollte sich die Menschheit einmal als Kollektiv im Bewusstsein über einen gewissen Punkt hinaus entwickeln, so mag die Evolution auf narzisstische Strebungen im Individuum ganz verzichten können.

Auf dem aktuellen Punkt stellen sie jedoch eine Anpassungsleistung dar, die dafür sorgen will, dass wir unseren Teil von dem, was wir brauchen, auch bekommen. Dabei gibt es auch in der gewöhnlichen Entwicklung eines Menschen eine kurze narzisstische Phase, die schon Sigmund Freud 1909 zum ersten Mal erwähnt und ihr die Bezeichnung "Primärer Narzissmus" gegeben hat.

Primärer Narzissmus

Der primäre Narzissmus bezeichnet den Narzissmus des Säuglings, der noch nicht zwischen Ich und Umwelt unterscheiden kann. Dabei handelt es sich um eine ganz normale Phase der kindlichen Entwicklung, die unter normalen Umständen im weiteren Verlauf hinter sich gelassen wird. Der primäre Narzissmus reicht demnach bis ca. zum 6. Lebensmonat des Säuglings. Individuelle Verläufe können abweichen.

Sekundärer Narzissmus

Als sekundären Narzissmus bezeichnete Freud die pathologische Rückkehr zu einer Variation des kindlichen (primären) Narzissmus. Im Laufe der gesunden Entwicklung richtet sich die Libido des Kindes immer mehr von sich selbst weg und hin zu äußeren "Objekten", also Mutter, Vater, Geschwister, Haustiere, usw. Beim sekundären Narzissmus wird die Libido den äußeren Objekten jedoch wieder entzogen und auf sich selbst zurückgelenkt.

Die Libido des sekundär narzisstisch geprägten Menschen macht also eine Art Bumerangbewegung. Sie geht vom Narzissten aus schrammt den anderen nur kurz und kehrt dann schnell wieder zum Narzissten zurück.

Vulnerabilitäts-Stress-Modell

Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell (Diathese-Stress-Modell) ist eines der gängigsten Modelle zur Entstehung psychischer Störungen in der Medizin. Es besagt, dass zur Manifestation einer bestimmten psychischen Krankheit eine Kombination aus der individuellen Krankheitsneigung (Disposition) und umweltbedingten Stressfaktoren gehören. Ein Faktor alleine reicht in der Regel nicht aus, um Narzissmus entstehen zu lassen.

Besonders verbreitete ist das Vulnerabilitäts-Stress-Modell in Zusammenhang mit der Schizophrenie, doch es lässt sich genauso berechtigt auf die Entstehung der narzisstischen Persönlichkeitsstörung übertragen.

Psychosoziale und Genetische Disposition für Narzissmus

Die Anfälligkeit (Disposition) für Narzissmus setzt sich wiederum aus verschiedenen Bereichen zusammen. Dazu zählen zum Einen die Gene (biologische Diathese), zum anderen lerngeschichtliche Faktoren (psychosoziale Diathese). Besonders ist hier der Erziehungsstil der Eltern in prägenden Entwicklungsphasen der Kindheit hervorzuheben.

Diese psychosozialen Faktoren haben einen nachgewiesenen Effekt auf die HHN-Achse (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse) die an vielen stressbedingten Vorgängen in unserem Körper beteiligt ist und auch starken Einfluss auf die Regulierung der Neurotransmitter in unserem Gehirn hat.

Schutzfaktoren

Demgegenüber stehen auch gewisse Schutzfaktoren, die der Entstehung von Narzissmus entgegen wirken. Hierzu zählen bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, mit denen ein Kind in die Welt gekommen ist (hohe Stresstoleranz, hohe Resilienz) sowie soziale (Sichere Bindung, soziale Unterstützung) und lerngeschichtliche Faktoren (Erfolgserlebnisse, stärkende Erfahrungen, ein Hobby das Kraft gibt und Zuflucht gewährt).

Da sich alle Faktoren zum Teil durchdringen und wechselseitig beeinflussen ist die Trennung eher theoretisch und dient vor allem zum besseren Verständnis. Dennoch wird durch das Vulnerabilitäts-Stress-Modell deutlich, dass sich zur Entstehung von Narzissmus verschiedene Ursachen ungünstig verketten müssen (multifaktorielle Genese).

Psychosoziale Narzissmus-Ursachen

Hier nun die drei wichtigsten Ursachen für die Entstehung von pathologischem Narzissmus.

Erziehungsstil der Eltern

Die gängigsten Theorien über die Entstehung von Narzissmus kommen aus dem Bereich der Psychodynamik (siehe unten: 1. Die narzisstische Mutter und 2. Fehlende Spiegelung des Kindes). Dabei unterscheidet man verschiedene familiäre Milieus, welche die Entstehung von Narzissmus beim Kind begünstigen. Hierzu zählt es auch, das Kind zum Star der Familie zu machen und über alle Maßen zu behüten und zu verhätscheln, was nachgewiesenermaßen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit einhergeht, dass das Kind später ausgeprägte narzisstische Charakterzüge aufweist.

Darüber hinaus gibt es einige hoch interessante und hervorragend validierte Studien von Eddie Brummelmann, die eindeutig nachweisen konnten, dass ein Erziehungsstil, bei dem das Kind über ein gesundes Maß hinaus überschätzt und überhöht wird, mit einer ausgeprägten Wahrscheinlichkeit einher geht, dass dieses Kind später narzisstische Züge oder sogar eine ausgeprägte Narzisstische Persönlichkeitsstörung (NPS) entwickelt.

1. Die narzisstische Mutter

Es gilt allgemein als anerkannt, dass die Mutter ihr Kind anders prägt, als der Vater. Beide sind selbstverständlich gleichermaßen wichtig, ihnen kommen jedoch bei der Identitätsbildung und Entwicklung des Kindes unterschiedliche Rollen zu. Hinzu kommt, dass sich weiblicher Narzissmus meist anders äußert, als bei Männern.

Deshalb macht es für das Gedeihen eines Kindes auch einen großen Unterschied, ob es mit einem narzisstischen Vater oder einer narzisstischen Mutter aufgewachsen ist. Zusätzlich spielt das Geschlecht des Kindes dabei eine Rolle. Ein Junge wird durch einen narzisstischen Vater anders geprägt, als ein Mädchen. Für die Mutter gilt dasselbe.

Hier möchte ich mich ganz auf die Rolle der narzisstischen Mutter bei der Entstehung einer späteren Narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NPS) des Kindes konzentrieren, denn sie hat nach aktuellem Kenntnisstand das meiste Gewicht, wenn es um die Wahrscheinlichkeit geht, ob das Kind später auch an einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung leidet.

Die narzisstische Mutter nimmt ihr Kind nicht als eigenständiges Individuum wahr sondern empfindet es - und das ist typisch für Narzissmus - als eine Art natürliche Verlängerung ihrer selbst. Sie erlebt das Kind als Teil von sich. Das mag am Anfang noch in Form einer halbwegs gesunden Symbiose zwischen Säugling und Mutter geschehen, wie sie für die Entwicklung eines Kindes in den ersten Lebensmonaten förderlich ist. Später lässt sich diese Art der Beziehung jedoch nicht mehr aufrechterhalten, doch genau damit hat die narzisstische Mutter ein riesen Problem.

Sie reagieren bereits auf geringe Bestrebungen des Kindes in Richtung Autonomie mit Unverständnis und narzisstischer Wut. Jede Form von Eigenständigkeit des Kindes empfinden sie als Kränkung. Sie tun alles, um diese Strebungen des Kindes - auch wenn es später erwachsen ist - zu unterdrücken.

Dazu nutzen sie nicht nur Wut sondern bestrafen dieses Eigenständigkeitsstreben bei ihrem Kind mit induzierten Schuldgefühlen oder versuchen das Kind früh auf eine durch sie vorgegebene Identität festzulegen (manipulative Identitätszuschreibung). Diese und viele weitere Strategien sollen verhindern, dass das Kind eine eigenständige Identität ausbildet. Damit verletzen sie unter anderem das Beziehungsbedürfnis nach Einmaligkeit ihrer Kinder nachhaltig und meist irreparabel.

Das Kind darf nur in Bezug auf die Mutter existieren, nicht für sich allein. Hierzu hört es im Laufe seines Lebens ungezählte Double Bind Botschaften, die zu einem Identitätsdilemma führen: "Ich bin nur dann ich selbst, wenn ich nach dem Bild der Mutter bin, wenn ich aber so bin, wie ich mich fühle, bin ich nicht ich selbst."*

Dies macht es dem Kind weitestgehend unmöglich, eine stabile eigene Identität auszubilden. Jede Form der Abweichung vom symbiotischen Idealbild, das die Mutter vorgibt, wird bestraft und das Kind für eigenständiges Verhalten entwertet. Da die Mutter das Kind als Erweiterung ihres Selbst sieht, projiziert sie meist auch ihr ideales Selbst (Freud) auf das Kind.

Es muss dann all das erfüllen, was sie selbst in ihrem Leben nicht vollbracht hat, um somit als natürliche Verlängerung der Mutter deren überhöhtes Selbstbild zu stützen und zu nähren. Auch dies ist eine Form narzisstischer Zufuhr. Vielleicht hast du im Fernsehen schon mal einen Bericht über die teilweise grotesken Mini-Misswahlen in anderen Ländern gesehen, in denen Mütter ihre kleinen oft nicht mal 8 Jahre alten Prinzessinnen instrumentalisieren, in hübsche Kleidchen stecken, auftakeln wie einen Dreimaster und von einer Bühne zur nächsten schleifen.

Dabei siehst du dieses Muster in Aktion. Die fragwürdigen Erfolge der Tochter beansprucht die Mutter hier für sich und nutzt sie als Nahrung für ihr eigenes Selbstbild, da sie die Tochter als nicht von sich getrennt wahrnimmt.

Aber wehe, die Kleine zeigt sich mal müde oder zickig und spielt nicht mit. Dann wird die gesamte Bandbreite narzisstischer Manipulationstechniken über ihr ausgeschüttet, insbesondere induzierte Schuldgefühle. "Ich will doch nur dein Bestes. Ist das der Dank dafür. Du glaubst gar nicht, was mich deine Misswahlen bisher gekostet haben und du bist so undankbar. Ich kann nicht glauben, dass du mir das antust."

Ähnlich verhält es sich natürlich mit den Erfolgen des Sohnes, seien es sein gutes Aussehen, seine überragenden schulischen Leistungen, seine erotischen Eroberungen oder dergleichen. In einem solchen Umfeld kann ein Kind kein stabiles Ich-Gefühl und keine autonome Identität aufbauen. Es lernt, sich selbst nur über andere wahrzunehmen, denn wo die Trennungslinie zwischen Ich und Nicht-Ich verläuft, hatten diese Kinder keine Chance zu lernen. Das ist auch der Grund, warum Narzissten so sehr auf narzisstische Zufuhr angewiesen sind und mit Kritik überhaupt nicht umgehen können.

Es dürfte auch klar sein, dass die Themen Liebe und intime Beziehungen für ein Kind, das unter dem Einfluss einer solchen Mutter aufgewachsen ist, extrem ambivalent und negativ besetzt sind. Da das Kind auf diese Weise auch kein echtes Gewissen (Über-Ich, Freud) ausbilden kann, liegt auf der Hand. All dies führt dazu, dass ein Narzisst zwar den Wunsch verspüren kann, eine langfristige Beziehung einzugehen, doch hat er nie die nötige Ausstattung erhalten, um dies auch in der Praxis umzusetzen.

Und er kann es auch nicht mehr voll umfänglich nachholen, denn was wir in bestimmten Entwicklungs- und Reifungsphasen nicht lernen, können wir in unserem späteren Leben meist nicht mehr in gleicher Weise nachholen. Das zeigt die Neurowissenschaft. So wird beispielsweise ein Kind, das bilingual aufgewachsen ist, Sprache sein Leben lang auf eine andere Art im Gehirn verarbeiten, als ein Kind, das erst in der Schule eine zweite Sprache lernt (nicht als Appell zur übertriebenen Frühförderung gemeint).

Mehr über die narzisstische Mutter erfährst du hier:

>>> Die narzisstische Mutter - Wie sie dich geprägt hat und wie du dich befreist

2. Fehlende Spiegelung des Kindes

Die andere Variante ist das völlige Fehlen passender Bezugspersonen für das Kind, die ihm ermöglichen würden, ein stabiles Selbst auszubilden.

Das Kind hat es dann nie erfahren, in seinen Beziehungsbedürfnissen wahrgenommen, bestätigt und gespiegelt zu werden und musste sein Selbst sozusagen aus sich selbst heraus entwickeln. Wie ein emotionales Perpetuum mobile.

Das führt auch dazu, dass das Kind nicht lernt, seine Emotionen auf eine angemessene Weise zu regulieren.

Hierfür braucht es nach Erkenntnissen der Entwicklungsforschung nämlich einen Erwachsenen, der dem Kind sein voll ausgebildetes Nervensystem sozusagen zur Verfügung stellt, um sich darin in seinen eigenen Emotionen zu spiegeln.

Fehlt diese Spiegelung, fallen wesentliche Feedbackschleifen in der gesunden kindlichen Entwicklung weg, mit fatalen psychischen Folgen.

Durch das Fehlen passender Bezugspersonen in der Entwicklung suchen diese Kinder dann Schutz in ihrer Innenwelt. Dort machen sie sich zum Mittelpunkt ihres Universum. Alles existiert nur in Bezug auf sie und dient der Erfüllung ihrer Wünsche und Bedürfnisse. Nichts existiert losgelöst von ihnen. Auch hier fehlt die Ich-Umwelt-Grenze. Sie haben später enorme Schwierigkeiten, ihre Mitmenschen als von ihnen getrennte Individuen mit eigenen Wünschen und Bedürfnissen zu sehen. Alles in der Welt des Narzissten existiert nur, weil es ihn gibt und ist auf ihn bezogen.

Gleichzeitig konnten sie durch das Fehlen entsprechender Spiegelung auch keine echte Empathie ausbilden, auch wenn sie sehr gut gelernt haben, ihre Mitmenschen zu lesen, um sie zur Erfüllung ihrer Wünsche und Bedürfnisse zu manipulieren. Es liegt auf der Hand, dass ein Mensch mit diesen Schwierigkeiten und Entwicklungsdefiziten nicht in der Lage sein wird, eine stabile Partnerschaft auf Augenhöhe zu führen.

3. Überschätzung macht Kinder zu Narzissten: aktuelle Studie von Eddie Brummelmann

Laut einer aktuellen und sehr interessanten Studie um den Assistenz-Professor Eddie Brummelmann an der University of Amsterdam unter dem Titel Origins of narcicissm in Children (auf Deutsch:

"Ursprünge des Narzissmus bei Kindern") lernen Kinder ihre eigene Bedeutsamkeit anhand der Einschätzung und des Verhaltens ihrer Eltern.

Das bedeutet, je höher die Eltern die Bedeutsamkeit des Kindes einschätzen und durch ihr Verhalten spiegeln, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Kind ausgeprägte narzisstische Züge entwickelt.

Das geschieht natürlich durch übertriebenes und situationsunangemessenes Loben und Belohnen (positive Verstärkung), aber auch indem das Kind beobachtet, wie die Eltern seine Bedeutung im Vergleich zu anderen Kindern einschätzen.

Häufig geht dieses permanente Herausstellen der Besonderheit des eigenen Kindes mit sofortiger Bedürfnisbefriedigung einher. Die Kinder lernen nicht, Wünsche auszuhalten oder Frustrationstoleranz zu entwickeln. Nahezu jeder Wunsch wir dem kleinen Prinzen oder der kleinen Prinzessin umgehend erfüllt. Diese Kinder werden darüber hinaus häufig auch gegenüber Erwachsenen bevorzugt behandelt und lernen so keine angemessenen Grenzen kennen.

Dann wird beispielsweise die gute Freundin oder der Arbeitskollege mitten im Satz von den Eltern unterbrochen, weil sich der geniale Filius anschickt, einen "wertvollen" geistigen Erguss zur Konversation beinzutragen und jede noch so banale Äußerung wird mit Staunen und Beifallsbekundungen gefeiert. Auf diese Weise lernt der Sprössling, dass er bedeutsamer als jeder andere ist. An diese Art der Zuwendung und Bedeutsamkeit gewöhnt er sich schnell. Sie wird zu seiner Referenzerfahrung, an der er später das Verhalten seiner Mitmenschen misst.

Seine Sonderstellung und der damit einhergehende Anspruch auf Sonderbehandlung, ohne auch nur das Geringste dafür tun zu müssen, werden zum fest verankerten Lebensgefühl des Kindes. Es hat nie gelernt, dass andere genauso wichtig sind, wie es selbst. Auch wenn viele Eltern es oberflächlich gut meinen, verletzen sie auf diese Art permanent das Bedürfnis nach liebevoller Grenzsetzung ihres Kindes.

Man könnte meinen, dass die Eltern ihr Kind doch auf eine ganz besondere Weise lieben und ihm seinen Wert spiegeln. Was soll daran verkehrt sein? Tatsächlich tun sie das nicht. Sie bestärken die Sonnenseite ihres Kindes. Der Rest wird abgelehnt.

Sie idealisieren ihr Kind und projizieren eigene Wünsche auf dieses. Häufig wird das Kind auch zur reinen Identitätsverlängerung mindestens eines Elternteils - meist der narzisstischen Mutter. Dann wird das Kind nicht als eigenständiges Individuum gesehen sondern existiert einzig und allein auf diesen Elternteil bezogen. Sein Bedürfnis nach Einmaligkeit wird zutiefst verletzt.

Dann lernt das Kind auch, dass nur seine angenehmen Gefühle akzeptabel sind. Ärger, Wut, Traurigkeit, etc. werden abgelehnt und dürfen nicht stattfinden. Dadurch verschwinden diese natürlichen Gefühle natürlich nicht. Sie werden nur ins Unterbewusstsein verdrängt und später als narzisstischer Abwehrmechanismus auf die Umwelt und speziell andere Menschen projiziert.

Auf diese Weise entsteht ein überhöhtes Selbstbewusstsein, das genauso unglücklich macht, wie ein zu geringes. Häufig wird behauptet, wir könnten gar nicht zu viel Selbstwertgefühl entwickeln. Doch das stimmt nicht. Alles, was mit dem Wörtchen "zu" beginnt zeigt bereits, dass etwas der Wirklichkeit nicht angemessen ist. Es steht nicht in Kontakt mit dem, was wirklich ist und stellt damit eine Verzerrung der Realität dar. Ein Mensch mit einem gesunden Selbstwertgefühl hält sich selbst weder für wertvoller noch für minderwertiger als andere. Er sieht sich als gleichwertig an.

Wie du deine Kinder schützt

Indem du du dir deinen Eigenanteil anschaust. Es gibt keinen anderen Weg. Unser Unbewusstes ist immer stärker als unsere erschöpfliche Willenskraft. Wir können es noch so gut meinen, unser Verhalten wird höchstens kurzfristig durch unsere guten Absichten beeinflusst. Solange wir starke narzisstische bzw. co-narzisstische Wunden in unserer Seele tragen und aus den daraus entstandenen Schutzstrategien agieren, können wir nicht verhindern, dass sich dies auch auf unsere Kinder auswirkt.

Dazu ist es oft sinnvoll, auch die Beziehung zu den eigenen Eltern einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und vor allem die Erfahrungen der Kindheit im Hinblick auf derartige Muster und Verletzungen zu beleuchten. Keine Sorge, dabei muss niemand heute mehr den geballten Schmerz alter Verletzungen erneut durchleben. So etwas hat man früher gemacht, als man es noch nicht besser wusste.

Moderne Methoden sind da viel schonender und fördern eher die ungenutzten eigenen Kraftpotenziale - um dieses alte belastende Material ein für allemal hinter dir zu lassen und die Kette zu durchbrechen, mit der destruktive Beziehungsmuster von Generation zu Generation weitergegeben werden.


*7 Jürg Willi, "Die Zweierbeziehung - Spannungsursachen, Störungsmuster, Klärungsprozesse, Lösungsmodelle", Rowohlt Taschenbuch Verlag, 18. Auflage Juli 2007, S. 71

Veröffentlicht: Mai 2, 2021

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