Psychopathen: Wie du sie erkennst und dich schützen kannst

Narzissten - Psychopathen - Soziopathen

Psychopathen verletzen Menschen auf jede erdenkliche Weise und bleiben dabei lange Zeit unentdeckt. Sie können enormen Schaden anrichten. Häufig fallen ihnen ganz wunderbare Menschen zum Opfer, die hinterher nicht mehr dieselben sind. Das darf dir nicht auch passieren.

Nachdem du diesen Artikel gelesen hast, besitzt du nichtsahnenden Menschen gegenüber einen Vorteil. Psychopathen werden es schwer mit dir haben, weil du sie schneller erkennst und weißt, wie du dich verhalten musst, um möglichst unbeschadet aus der Begegnung hervorzugehen.

Hast du es mit einem Psychopathen zu tun?

Da ist dieser Mensch, bei dem du nach jeder Begegnung das Bedürfnis hast, ein Jahr mit buddhistischen Mönchen im Himalaya zu meditieren, um wieder halbwegs in deine Mitte zurückzufinden. Du bekommst ihn einfach nicht zu fassen UND er ist in deinem Kopf. Er verdreht Tatsachen so geschickt, dass du beginnst, an deiner eigenen Wahrnehmung zu zweifeln. Du wirst so manipuliert, dass du kaum noch weißt, wer eigentlich das Problem ist. Er oder doch du?

Sein Gesicht verfolgt dich bis in deine Träume. Wenn du nicht ohnehin nachts wach liegst, weil du versuchst, die Erlebnisse mit ihm zu verarbeiten und deine Welt wieder geradezurücken. So jemandem bist du noch nie begegnet. Dein Bauchgefühl schlägt Daueralarm. Aber vielleicht ist auch alles in Ordnung und du wirst langsam verrückt?

Manchmal macht er dir Angst. Mittlerweile würdest du ihm alles zutrauen und du weißt noch nicht einmal genau, warum. Dabei hat es ganz anders angefangen. Du warst sogar insgeheim ein bisschen fasziniert von diesem charismatischen und selbstbewussten Menschen. Irgendwas war anders an ihm. Nicht wie gewohnt. Sogar ein wenig aufregend.

Wenn du jetzt an ihn denkst, fühlst du dich ausgeliefert und ohnmächtig. Du weißt einfach nicht mehr weiter und befürchtest, dass es schlimm ausgehen wird, wenn dir nicht bald etwas einfällt, wie du dein seelisches Gleichgewicht wiederfinden kannst.

Falls dir das bekannt vorkommt, darfst du durchatmen. Heute lernst du etwas über Psychopathen, das dir buchstäblich deine Haut retten kann.


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Was ist ein Psychopath?

Psychopathie ist eine schwere Form der antisozialen Persönlichkeitsstörung mit nahezu vollständigem Fehlen von Empathie, Gewissen und Verantwortungsbewusstsein. Die Betroffenen verhalten sich oft hochmanipulativ und ausbeuterisch mit einem Hang zum pathologischen Lügen. Dabei können Psychopathen außergewöhnlich charmant und charismatisch wirken. Durch ihr antisoziales Verhalten werden sie häufig kriminell. Viele füllen bereits als Jugendliche dicke Strafakten. Häufig bestehen Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) mit anderen psychischen Störungen wie Narzissmus oder Borderline.

"Psychopathie" ist ein umgangssprachlicher Begriff, der heute in der Klinik so nicht mehr verwendet wird. Psychopathen gehören zu den Cluster-B-Persönlichkeitsstörungen. Hierzu gehören neben der Antisozialen Persönlichkeitsstörung auch die:

Unter dem Cluster B werden im amerikanischen Diagnosemanual DSM-V Persönlichkeitsstörungen zusammengefasst, die mit Launenhaftigkeit, emotionalen Auffälligkeiten, Impulsivität und unkontrollierbarer Wut einhergehen. Menschen mit einer Cluster-B-Persönlichkeitsstörung haben häufig große Probleme in ihren Beziehungen. Zusätzlich sind bei den entsprechenden Erkrankungen das Selbstbild und das Selbstwertgefühl beeinträchtigt.

Im Zusammenhang mit psychopathischen Narzissten fällt häufig der Begriff des "malignen Narzissmus". Dabei handelt es sich um eine besonders gefährliche Form dieser Persönlichkeitsstörung, die enorme Schäden in ihrem Umfeld anrichten kann. Maligne Narzissten sind ebenfalls Psychopathen, häufig mit sadistischen und/oder machiavellistischen Zügen.

In diesem Artikel lernst du auch einzuschätzen, ob du es eher mit einem Narzissten oder mit einem hochgefährlichen Psychopathen zu tun hast. Denn außerordentlich charmant und charismatisch können beide sein.

Dazu sollten wir uns als erstes im Klaren sein, womit genau wir es zu tun haben. Der Pschyrembel definiert Psychopathie als:

Psychopathie-Definition

"Be­zeichnung für ei­ne besonders schwe­re Form der dis­sozialen Per­sönlichkeitsstörung, die durch das weit­gehen­de Feh­len von Em­pathie, sozialer Ver­antwortung und Gewissen ge­kennzeichnet ist. Auf­fäl­lig sind dafür mani­pulatives Ge­schick, emotiona­le Kühle, Ego­zentrik so­wie ein antisozialer Le­bens­wandel. Die mangelnde Em­pathie­fähig­keit er­schwert ei­ne psychotherapeutische Behandlung. Die Pro­gnose ist schlecht, häu­fig werden die Betroffenen kriminell."

Hier zeigt sich bereits, dass Psychopathie am Ende eines Spektrums liegt und eine besonders schwere Form der dissozialen bzw. antisozialen Persönlichkeitsstörung beschreibt. In der Kriminalpsychologie werden bei der Erstellung von Straftäter-Psychogrammen spezielle Testverfahren eingesetzt, anhand derer ein so genannter "Psychopathie-Score" errechnet wird. Je mehr Punkte jemand bei diesen Tests erzielt, desto ausgeprägter ist seine Psychopathie.


Diagnose und Klinik der antisozialen Persönlichkeitsstörung

Ich halte mich hier an die Kriterien des in den USA verwendeten Diagnosemanuals DSM-V, da es detaillierter und ausführlicher ist, als die in Deutschland aktuell noch gebräuchliche ICD-10-GM. Die wesentlichen Kriterien unterscheiden sich ohnehin nicht, da es sich ja um das gleiche Störungsbild handelt. (Zum Ausklappen auf die drei Punkte rechts klicken)

Diagnose antisoziale Persönlichkeitsstörung*1 nach DSM-V Kapitel F60.2

A. Ein tiefgreifendes Muster von Missachtung und Verletzung der Rechte anderer, das seit dem Alter von 15 Jahren auftritt. Mindestens drei der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:

  1. 1
    Versagen, sich in Bezug auf gesetzmäßiges Verhalten gesellschaftlichen Normen anzupassen, was sich in wiederholtem Begehen von Handlungen äußert, die einen Grund für eine Festnahme darstellen.
  2. 2
    Falschheit, die sich in wiederholtem Lügen, dem Gebrauch von Decknamen oder dem Betrügen anderer zum persönlichen Vorteil oder Vergnügen äußert.
  3. 3
    Impulsivität oder Versagen, vorausschauend zu planen.
  4. 4
    Reizbarkeit und Aggressivität, die sich in wiederholten Schlägereien oder Überfällen äußert.
  5. 5
    Rücksichtlose Missachtung der eigenen Sicherheit oder der Sicherheit anderer.
  6. 6
    Durchgängige Verantwortungslosigkeit, die sich im wiederholten Versagen zeigt, eine dauerhafte Tätigkeit auszuüben oder finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.
  7. 7
    Fehlende Reue, die sich in Gleichgültigkeit oder Rationalisierung äußert, wenn die Person andere Menschen gekränkt, misshandelt oder bestohlen hat.

B. Die Person ist mindestens 18 Jahre alt.

C. Eine Störung des Sozialverhaltens war bereits vor Vollendung des 15. Lebensjahres erkennbar.

D. Das antisoziale Verhalten tritt nicht ausschließlich im Verlauf einer Schizophrenie oder einer bipolaren Störung auf.

Der Vollständigkeit halber findest du hier die etwas weniger ausführlichen Kriterien für die klinische Diagnose der dissozialen Persönlichkeitsstörung nach ICD 10-GM: Kapitel F60.2 Dissoziale Persönlichkeitsstörung.

Veränderungen und Auffälligkeiten im Nervensystem

Aktuelle Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Psychopathen über ein verändertes autonomes Nervensystem verfügen und Auffälligkeiten in der Struktur und Funktionsweise ihres Gehirns zeigen. Unser autonomes Nervensystem regelt alle lebenswichtigen Funktionen des Körpers. Dazu zählen Schlaf- und Wachrhythmus, Blutdruck, Herzfrequenz, Atmung, etc.

Während das autonome Nervensystem bei gesunden Menschen hochfährt, wenn sie lügen oder etwas offensichtlich Falsches oder Verbotenes tut, ist das bei einem Psychopathen nicht der Fall. Begeht ein nicht psychopathischer Mensch beispielsweise eine Straftat, hat er hinterher Angst, erwischt zu werden. Er fürchtet die Konsequenzen seiner Handlungen und hofft, dass es nicht rauskommt. Nicht so ein Psychopath. Menschen mit einer dissozialen Persönlichkeitsstörung denken nicht über die Konsequenzen ihrer Taten nach und haben auch keine Angst davor.

Sie nehmen das Leben und die Menschen darin mehr so wahr, als würden sie sich in einem Computerspiel befinden. Irgendwie nicht ganz real. Ein stark psychopathischer Mensch erlebt seine Mitmenschen eher wie Objekte, die zum eigenen Vorteil manipuliert werden können. Er spricht ihnen jedes Recht auf Selbstbestimmung ab.

Auch zur fehlenden Empathie von Psychopathen gibt es viele wissenschaftliche Untersuchungen. Dabei zeigt sich bei Hirn-Scans von Psychopathen, dass u.a. der Bereich, der für Empathie zuständig ist, verändert reagiert. Zu diesem Ergebnis gelangt auch eine fMRI-Studie zur Darstellung Täter- und Empathie assoziierter Areale bei kriminellen Psychopathen der Uni Tübingen aus dem Jahre 2007.


Weniger Angstreaktionen und Verkalkungen in der Amygdala

Bis vor kurzem ist man noch davon ausgegangen, dass Psychopathen überhaupt keine Angstreaktionen zeigen. Eine neuere Metaanalyse von Hoppenbrouwers und Brazil kommt jedoch zu anderen Ergebnissen.

Darin zeigt sich erstmals, dass automatische und bewusste Hirnprozesse unabhängig voneinander ablaufen können. Die Studie legt nahe, dass Psychopathen Gefahren zwar nicht bewusst erkennen können, aber dennoch mit Angst reagieren.

Nur wirkt sich diese Angst in ihrem Nervensystem scheinbar anders aus, als bei gesunden Menschen. Vermutlich nimmt ihr Nervensystem die Gefahr wahr, doch wird sie anders verarbeitet und bewertet, als das normalerweise der Fall ist. Hier müssen weitere Forschungen unternommen werden, um mehr Klarheit zu bringen.


Psychopathen reagieren anders auf Angst

In der veränderten Ansprechweise ihres autonomen Nervensystems liegt auch der Grund, warum zumindest primäre Psychopathen jeden Lügendetektortest überlisten. Ein primärer Psychopath mit einem hohen Psychopathie-Score kann eine Leiche im Schlafzimmer nebenan liegen haben, während er mit seinem Nachbarn, der zufällig Polizist ist, in aller Seelenruhe ein Fußballspiel im Wohnzimmer anschaut. Dabei wird sein Ruhepuls nicht um einen Schlag ansteigen.

Auch die Amygdala (unser Angstzentrum im Gehirn) von Psychopathen verhält sich anders, als das Angstzentrum von gesunden Menschen. Es findet kaum eine Reaktion auf Reize statt, die einem "normalen" Menschen Angst machen würden.

Das haben auch die Ergebnisse einer Altruismus-Studie der Psychologin Abigail Marsch bestätigt, in der die Gehirnaktivitäten von besonders altruistischen Menschen mit der von Psychopathen verglichen wurden.

Dabei hat sich gezeigt, dass die Amygdala von Psychopathen nicht nur strukturell kleiner ausgebildet ist, sondern auch deutlich weniger aktiv als die der gesunden Vergleichspersonen. Hier liegt sehr wahrscheinlich ein Hauptzusammenhang, warum Psychopathen keine Angst vor den Konsequenzen ihrer Taten verspüren.

Urbach-Wiethe-Syndrom

Auffällige Veränderungen des Angstzentrums (Amygdala) im Gehirn scheinen bei Psychopathen definitiv eine Rolle zu spielen. So konnte bei vielen das Urbach-Wiethe-Syndrom nachgewiesen werden.

Dabei handelt es sich um eine seltene Erbkrankheit, die unter anderem mit Verkalkungen und einer herabgesetzten Funktionsfähigkeit der Amygdala einhergeht. 2003 untersuchte der Psychologe Hans Markowitsch von der Uni Bielefeld in einer Studie die Bedeutung der Amygdala für Emotionsverarbeitung und Gedächtnis zehn Probanden mit dieser Krankheit.

Er zeigte ihnen beispielsweise Videos einer weinenden Frau in einem auffällig gemusterten Kleid und befragte sie hinterher dazu, an was sie sich erinnern konnten. Dabei wurde deutlich, dass den Betroffenen zwar das auffällige Kleid im Gedächtnis geblieben war, sie aber nicht mehr sagen konnten, ob die Frau fröhlich oder traurig aussah.

Menschen mit dieser Krankheit fällt es schwer, zwischen richtig und falsch, gut und böse, wesentlich und unwesentlich zu unterscheiden. Sie können ausschlaggebende Details vollständig ignorieren und sich an Nebensächlichkeiten festbeißen.

Allerdings scheinen nicht alle Psychopathen unter dem Urbach-Wiethe-Syndrom zu leiden, sodass es nur als eine mögliche Ursache für die Entwicklung einer Psychopathie unter vielen eingestuft werden kann. Man geht davon aus, dass es nicht den einen Grund gibt sondern verschiedene Ursachen, die sich auf eine bestimmte Weise verbinden müssen, damit ein Mensch zum Psychopathen wird. In der Medizin nennt man das eine "multifaktorielle Genese".


Viel kognitive aber keine emotionale Empathie

Psychopathen haben sehr feine Antennen dafür, was beim Gegenüber abläuft. Sie verfügen meist über ein außergewöhnlich hohes Verständnis für die Gefühlsregungen ihrer Mitmenschen. Sie nehmen nur keinen Anteil daran. Hier hilft die klinische Unterscheidung von kognitiver und emotionaler Empathie. Bei gesunden Menschen geht beides Hand in Hand. Psychopathen verfügen ausschließlich über kognitive (kalte) Empathie.

Wenn ein gesunder Mensch beobachtet, wie ein anderer sich schwer verletzt, dann weiß er nicht nur, dass dies für den anderen sehr schmerzvoll sein muss. Ebenso sprechen seine Spiegelneuronen (Rizzolatti) an und er empfindet bis zu einem gewissen Grad im eigenen Körper nach, was der andere mutmaßlich auch empfinden muss.

Bei primären Psychopathen bleibt diese Reaktion der Spiegelneurone (und anderer Zentren) aus. Sie verstehen, dass der andere gerade Schmerz empfindet, doch sie fühlen nichts dabei und bleiben kalt wie ein Fisch.

  • Emotionale (warme) Empathie: Ein Mensch mit emotionaler Empathie ist durch seine schwingungsfähigen Spiegelneurone in der Lage, bis zu einem gewissen Grad in sich selbst nachzuempfinden, wie es einem anderen gerade geht. Deshalb rufen wir "Aua", wenn jemand sich mit dem Hammer auf den Daumen schlägt und sind in der Lage, Mitgefühl zu empfinden. Driftet jemand in eine psychotische Richtung ab, verliert also den Kontakt zur von anderen geteilten Realität, geht diese Schwingungsfähigkeit als erstes verloren. Das geschieht zum Beispiel bei einem schizophrenen Schub. Bei Psychopathen ist dieses Unvermögen zum emotionalen Mitschwingen ein Dauerzustand. Nach allem was wir wissen fehlt ihnen die emotionale Empathie nahezu vollständig. Dagegen ist ihre kognitive Empathie oft überentwickelt.
  • Kognitive (kalte) Empathie: Gemeint ist die Fähigkeit, intellektuell nachvollziehen zu können, wie es einem anderen Menschen gehen mag. Und zwar nur intellektuell. Hier drängen sich Vergleiche mit bestimmten Formen von Autismus auf. Tatsächlich sind schon von einigen Klinikern deutliche Gemeinsamkeiten von Autismus und Psychopathie festgestellt worden. Um besser zu verstehen, warum die kalte Empathie bei Psychopathen häufig stärker ausgeprägt, stell dir jemanden vor, der blind zur Welt gekommen ist. Weil sein Sehsinn nicht funktioniert, war er darauf angewiesen, seine anderen Sinne umso mehr zu schärfen, um das Defizit so gut wie möglich auszugleichen. Ähnlich kannst du dir die geschärfte kalte Empathie eines Psychopathen denken. Weil er nicht nachempfinden kann, wie es anderen geht, musste er seine kalte Empathie umso stärker trainieren, um sich besser in der Welt zurechtzufinden. Heute nutzt er sie häufig, um andere zu manipulieren und berechnend seine Ziele zu erreichen.

Primäre vs. sekundäre Psychopathen (Karpmann)

Die Unterscheidung von Psychopathen in zwei klinische Subtypen (primäre und sekundäre Psychopathen) geht auf den amerikanischen Psychiater Benjamin Karpman zurück. Bei primären Psychopathen vermutete Karpman eine starke genetische Komponente. Er hielt sie für grundsätzlich nicht therapierbar und sehr gefährlich, da sie eine permanente Bedrohung für die Gesellschaft darstellen.

Bei sekundären Psychopathen vermutete Karpman, dass hier eine andere (oft unerkannte) psychiatrische Störung hinter dem antisozialen Verhalten steht. Er hielt unter anderem traumatische Erlebnisse oder andere entwicklungsschädigende Einflüsse in der Kindheit, starke Vernachlässigung oder destruktive Sozialisationseinflüsse für verantwortlich bei der Entstehung einer sekundären Psychopathie.

In diesem Sinne wären sekundäre Psychopathen dann das, was wir heute als Soziopathen bezeichnen. Bei sekundären Psychopathen sei eine Psychotherapie eher erfolgversprechend, als bei primären Psychopathen.

Klinisch werden primäre und sekundäre Psychopathen eher anhand verschiedener Eigenschaften unterscheiden.


Primäre Psychopathen

Primäre Psychopathen gelten als vollständig gewissenlos. Im Gegensatz zu sekundären Psychopathen können sie durchaus ein Ziel verfolgen und sehr erfolgreich in einem Lebensbereich werden. Dabei gehen sie mit der berechnenden Kälte einer Maschine vor.

Wohl gerade deshalb finden sich überdurchschnittlich viele primäre Psychopathen in Führungspositionen. Eine Studie des Kriminalpsychologen Robert Hare (2006) ergab, dass rund vier Prozent der Führungsetagen mit primären Psychopathen besetzt sind. In der Durchschnittsbevölkerung sind es dagegen nur ca. 1 Prozent, wobei darin sowohl primäre als auch sekundäre Psychopathen enthalten sind. Primäre Psychopathen sind aber um ein Vielfaches seltener, als sekundäre.

Obwohl primäre Psychopathen vom Typ Hannibal Lecter den typischen Serienmörder oder Auftragskiller à la Hollywood abgeben, führen sie interessanterweise nicht die Mordstatistiken an. Sie morden also entgegen des ihres Rufs nicht überdurchschnittlich häufig.

Primäre Psychopathen sind in der Mehrzahl männlich. Wenn es ihren Zielen dient, sind sie in der Lage, gut funktionierende oberflächliche Beziehungen aufzubauen und über lange Zeit zu erhalten. Dabei bedeutet ihnen die andere Person jedoch nichts, egal wie charmant sie sich ihr gegenüber verhalten. Sie sind Meister darin, eine Beziehung vorzutäuschen.

Primäre Psychopathen weisen große Ähnlichkeiten mit grandios-malignen Narzissten auf, während sekundäre Psychopathen hohe Schnittmengen mit Borderlinern haben. Nicht zuletzt deshalb schlagen ausgewiesene Experten wie der renommierte Narzissmus-Experte und Professor für Psychologie Sam Vaknin*2 seit Jahren vor, auf die Unterscheidung einzelner Persönlichkeitsstörungen zu verzichten und stattdessen von einem übergreifenden Störungsbild mit verschiedenen Akzentuierungen zu sprechen.

Demnach liegen Persönlichkeitsstörungen auf einem Spektrum und tendieren auch beim Einzelnen je nach Umständen mal mehr in die eine, mal mehr in die andere Richtung.

In der für Deutschland noch nicht angepassten aktuellen Auflage der von der WHO ausgegebenen ICD 11 ist man deshalb auch dazu übergegangen, auf die Beschreibung strikt voneinander getrennter Persönlichkeitsstörungen vollständig zu verzichten.


Sekundäre Psychopathen

Sekundäre Psychopathen sind bis zu einem gewissen Maß zu Mitgefühl und Gewissen fähig. Dafür sind sie hochgradig impulsiv und emotional instabil. Das unterscheidet sie deutlich von primären Psychopathen. Sie begehen ihre Taten aus dem unkontrollierbaren Affekt heraus. Deshalb werden sie auch häufig straffällig. Da sie dabei deutlich unbeherrschter vorgehen, als primäre Psychopathen, werden sie auch häufiger erwischt.

Auch sie machen sich im Moment ihrer Emotionsausbrüche keine Gedanken über die Konsequenzen ihrer Handlungen und sind stark desorganisiert. Ihr Leben gleicht einem absoluten Chaos. Sie sind kaum in der Lage, funktionierende und tragfähige Beziehungen einzugehen oder aufrechtzuerhalten. Ähnlich sieht es mit ihrer Job-Historie aus.

Im Gegensatz zu nicht psychopathischen Narzissten gibt es bei sekundären Psychopathen keine "sichere Insel", also keinen Lebensbereich, der stabil ist und eine sichere Zuflucht darstellt. In all diesen Eigenschaften haben sekundäre Psychopathen erstaunlich viel Ähnlichkeit mit Borderlinern, was wiederum dafür spricht, altgediente und zu enge Konzepte von Persönlichkeitsstörungen zu überarbeiten.

Anders als primäre Psychopathen können sie ihre Energien nicht mittel- und langfristig bündeln, um ihre Ziele zu erreichen. Bricht ein Lebensbereich bei ihnen zusammen, tendieren sie dazu, auch in allen anderen Lebensbereichen Chaos zu erzeugen.

Wird ein Lebensbereich instabil, destabilisieren sie selbst jeden anderen Teil ihres Lebens. Verliert ein sekundärer Psychopath beispielsweise seinen Job, ist es nicht ungewöhnlich, dass er gleichzeitig seinen Partner verlässt, in ein anderes Land zieht, sich auf eine mehrjährige Selbstfindungsreise begibt, oder auf einer Bohrinsel anheuert.

Diese Tendenz zum totalen Neuanfang scheint sekundären Psychopathen ein Gefühl der Hoffnung zu geben, dass diesmal alles anders wird. Sie beginnen dann sozusagen ein neues Leben, machen Tabula Rasa, nehmen dabei aber unweigerlich ihre alten Strukturen mit, sodass auch dieser Neuanfang zum Scheitern verurteilt ist. Die Mehrzahl der sekundären Psychopathen scheint weiblich zu sein, was aber noch nicht als gesichert gilt.

Psychopathen und Narzissten: Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Oft werden Narzissten Eigenschaften und Verhaltensweisen zugeschrieben, die eher darauf hindeuten, dass man es mit einem Psychopathen zu tun hat. Es ist wichtig zu wissen, woran du bist. Nur so kannst du potenzielle Gefahren richtig einschätzen.

Jeder Psychopath hat narzisstische Anteile (so wie wir alle), aber nicht jeder Narzisst ist ein Psychopath.

Von Narzissten wird allgemein behauptet, sie seinen vollkommen sprunghaft, unberechenbar und könnten keine Beziehung langfristig aufrechterhalten. Doch das stimmt nur zum Teil. Narzissten haben oft eine Insel der Sicherheit, einen organisierten Bereich, an dem sie ihr ganzes Leben festhalten können. Das kann die Partnerin sein, eine Karriere, ein Land, eine politische Überzeugung, etc.

Ist die sichere Insel beim Narzissten beispielsweise seine Partnerin, so kann es durchaus sein, dass er mit ihr eine lebenslange und halbwegs gesunde Beziehung führt. Die Angst, sie als Quelle narzisstischer Zufuhr und Stabilität in seinem Leben zu verlieren ist dann einfach zu groß, um in seinem beziehungsschädigenden Verhalten zu weit zu gehen und zu riskieren, sie zu verlieren.

Sie gewinnt dadurch eine zu große Bedeutung für den Narzissten und er könnte ihren Verlust nicht verschmerzen. Deshalb wird er sich zusammenreißen. Dafür werden die anderen Bereiche seines Lebens deutlich chaotischer aussehen. Ist seine sichere Insel dagegen der Job, an dem er festhält, werden seine Beziehungen destruktiv sein, usw.

Klinischer Zusammenhang

Im Gegensatz zu Narzissten sind Psychopathen nicht auf narzisstische Zufuhr angewiesen.

Bei Psychopathen findet sich solch eine Insel extrem selten. Wenn überhaupt, dann bei primären Psychopathen, wenn sich damit ein langfristiges Ziel verbindet, das sie erreichen wollen. Doch selbst wenn ein primärer Psychopath dreißig Jahre all seine Energien bündelt, um Vorstandsvorsitzender eines großen Konzerns zu werden, bleibt dieser errungene Sieg für ihn emotional aber oft erstaunlich unbedeutend.

Denn im Gegensatz zu Narzissten machen sich Psychopathen nichts aus narzisstischer Zufuhr.

Psychopath oder Soziopath?

Soziopathie ist in Deutschland kein eindeutig definierter psychiatrischer Begriff und wird deshalb eher umgangssprachlich verwendet. In Kurzform zeigt ein Soziopath ein dem Psychopathen ähnliches antisoziales Verhaltensmuster, ist im Gegensatz zu diesem jedoch zu Empathie fähig. Auch andere Merkmale wie eine geringe Frustrationstoleranz sind beim Soziopathen ähnlich. Es fällt ihm schwer, starke Emotionen wie Wut oder Ärger zu unterdrücken, selbst wenn das seinen Zielen dienen würde.

Soziopathen können loyal sein und haben häufig ein recht gut entwickeltes Gewissen. Im Gegensatz zu gesunden Menschen ist dieses Gewissen jedoch stark mit dem Wertesystem ihres Herkunftsmilieus verbunden. Ein Soziopath, der unter Dieben aufgewachsen ist, hätte demnach kein schlechtes Gewissen gegenüber denjenigen, die er bestiehlt. Er hätte eher ein Gewissensbisse, wenn er eine gute Gelegenheit für einen Diebstahl auslässt.

Man vermutet beim Soziopathen also eher das Milieu, in dem er oder sie aufgewachsen ist, als Ursache für das antisoziale Verhalten. Kinder, die im Ghetto groß geworden sind und / oder Gewaltverbrechen und Krieg miterlebt haben, sind Beispiele. Auch Kinder aus hochgradig dysfunktionalen Familien und Heimkinder scheinen überdurchschnittlich häufig soziopathisches Verhalten zu zeigen.

Wir können also sagen:

Psychopathen werden so geboren, Soziopathen werden "gemacht".

Anders ausgedrückt hat der Psychopath ein Hardware-Problem (verändertes Nervensystem) und ein Software-Problem, der Soziopath dagegen ausschließlich ein Software-Problem. Das Ergebnis ist häufig ähnlich. Psychopathen manipulieren ihre Mitmenschen berechnend und kühl, während Soziopathen eher zum Ausagieren starker Emotionen neigen.

Das trifft ganz besonders auf die Emotion Wut zu. Während Soziopathen jähzornige Wutanfälle mit Kontrollverlust erleben können, behalten Psychopathen so gut wie immer ihre Emotionen unter Kontrolle und verhalten sich kühl und berechnend. Auch hier zeigt sich wieder die Ähnlichkeit zwischen Soziopathie und der Borderline-Persönlichkeitsstörung.


Was sind "Hochfunktionale" Soziopathen?

Wie bereits erwähnt handelt es sich bei Bezeichnungen wie "Psychopath" und "Soziopath" nicht um gebräuchliche klinische Begriffe sondern um umgangssprachliche Hilfsbegriffe. Beide sind nicht eindeutig definiert. Hier machen auch die "hochfunktionalen Psychopathen" keine Ausnahme.

An dieser Wortschöpfung zeigen sich besonders deutlich die Schwächen des bisherigen Konzepts der Persönlichkeitsstörungen, denn an sich dürfte so etwas wie ein hochfunktionaler Soziopath gar nicht existieren.

Soziopathen, Borderliner und sekundäre Psychopathen meint im Grunde alles gleichermaßen ein und dieselbe Störung mit hervorstechenden Merkmalen wie emotionaler Instabilität und Impulsivität, dem Wechsel zwischen Idealisierung und Entwertung wichtiger Bezugspersonen, usw. Nur die Gewichtung einzelner Merkmale scheint auf einem Spektrum zu variieren.

Der Begriff "hochfunktionaler Soziopath" wird häufig verwendet, um (meist) sekundäre Psychopathen zu beschreiben, die durch ihre hohe Intelligenz einige ihrer sozialen Schwächen ausgleichen können und in der Regel nicht straffällig werden.

Übereinstimmend geht man davon aus, dass ein hochfunktionaler Soziopath bis zu einem gewissen Grad durchaus in der Lage ist, bestimmte Emotionen wie Mitgefühl, Loyalität und Empathie zu empfinden und gewissensfähig ist. In diesem Eigenschaften gleicht er oder sie am ehesten einem sekundären Psychopathen.

Da hochfunktionalen Soziopathen häufig mit hoher Intelligenz, der Fähigkeit zu Struktur und Organisation in mindestens einem Lebensbereich (häufig beruflich) und einer zumindest gewissen Gesellschaftsfähigkeit assoziiert werden, kann man sie sich am besten als eine Art Hybridwesen zwischen sekundärem und primärem Psychopathen vorstellen

Weibliche Psychopathen (Psychopathinnen)

Laut der Kriminalpsychologin Lydia Benecke*3 verhalten sich weibliche Psychopathen aufgrund von erlernten soziokulturellen und geschlechtsspezifischen Rollenmustern sowie gesellschaftlichen Erwartungen meist anders, als männliche Psychopathen. Beide teilen aber Gemeinsamkeiten wie Gewissenlosigkeit, mangelnde Empathie, fehlende Angst und die Unfähigkeit, Schuldgefühle zu empfinden oder sich von den möglichen Konsequenzen ihrer Taten abschrecken zu lassen.

Psychopathen und Psychopathinnen haben entgegen dem öffentlichen Bild keinen von innen (intrinsisch) motivierten Drang, andere Menschen zu töten. Ansonsten würden Psychopathen weltweit die Mordstatistiken anführen, was nicht der Fall ist. Doch scheinen sie auf der anderen Seite auch weniger davor zurückzuschrecken als andere Menschen, wenn es ihnen nützt.

Wenn sie es tun, bleiben sie dabei eiskalt. Nach allem was wir heute wissen, reagiert das Nervensystem eines primären Psychopathen mit sehr hohem Psychopathie-Score kaum anders wenn er einen Menschen tötet, als wenn er sein Auto wäscht oder den Müll rausbringt.

Doch auch hier sei nochmal betont: Nicht jeder Psychopath wird zum Mörder. Es gibt andere psychiatrische Störungen und Eigenschaften, die statistisch viel gefährlicher sind. Psychopathen morden nicht mehr und nicht weniger als andere Menschen. Auffallend ist nur die berüchtigte innere Anteilnahmslosigkeit, wenn sie es tun.

Während männliche Psychopathen eher zu aggressiven und dominanten Verhaltensweisen neigen, um ihre Ziele zu erreichen, spielen Psychopathinnen geschickt mit weiblichen Rollenklischees. Sie sind ebenso hochmanipulativ und schrecken in der Regel vor nichts zurück, um ihre Ziele zu erreichen.

Sie haben oft schon früh bei sich oder anderen Frauen erlebt, wie wirksam "die Waffen einer Frau" sein können und nutzen dies geschickt für sich aus. Psychopathinnen sind innerlich genauso eiskalt und berechnend wie männliche Psychopathen, neigen jedoch eher zu emotionaler und sozialer Manipulation.

Sie nutzen häufig sexuelle Verführung, da sie gelernt und beobachtet haben, dass sie so besonders bei vielen Männern leichtes Spiel haben. Psychopathinnen können sich hoch erotisch geben und starke Leidenschaft vortäuschen, wenn es zum Erreichen ihrer Ziele beiträgt. Doch bleiben sie innerlich dabei völlig unbeteiligt.

Durch das geschickte Ausnutzen von weiblichen Rollenmustern bleiben Psychopathinnen in der Regel bei ihren Taten auch viel länger unentdeckt, als männliche Psychopathen. Man traut es ihnen einfach nicht zu, da sie sich im Alltag sehr unauffällig verhalten und andere glauben machen können, sie seien die liebste und harmloseste Person der Welt.

Begehen Psychopathinnen Straftaten, so scheint es sich hierbei häufig um Erpressungsdelikte zu handeln. Auffällig ist auch, dass wenn eine Psychopathin eine Gewalttat oder gar einen Mord verübt, dies meist in ihrem engeren Umfeld geschieht. Häufig sogar in der eigenen Familie.

Dabei tendieren Psychopathinnen anscheinend eher zu "weicheren" Methoden als männliche Psychopathen. So sind etwa Giftmörder in der Mehrzahl der Fälle weiblich, während Axtmorde häufiger von Männern begangen werden. Selbstverständlich lässt sich einiges davon auch aus geschlechtsspezifischen körperlichen Unterschieden erklären. Da Männer in der Regel über mehr Körperkraft verfügen, haben sie es leichter, jemanden mit roher Gewalt zu verletzen oder gar zu töten.

Psychopathen in Organisationen, Politik und Wirtshaft

Vor allem primäre leistungs- und zielorientierte Psychopathen werden von Machtpositionen angezogen. Sie gehen häufig in die Politik oder erreichen aufgrund ihrer Persönlichkeitseigenschaften Führungspositionen in der Wirtschaft.

Das trifft besonders auf primäre Psychopathen zu, die deutlich gesellschaftsfähiger sind, kaum oder wenig sichtbares antisoziales Verhalten zeigen und aufgrund der Eigenschaften ihres Nervensystems deutlich stressresistenter sind, als ihre gesunden Mitmenschen. "Hochfunktionale" primäre Psychopathen eignen sich offenbar besonders für Jobs, die einen kühlen Kopf unter hoher Belastung und Stress erfordern.

Hier stellen die Eigenarten ihres Nervensystems (bspw. verringertes Angstempfinden) sogar einen Vorteil dar. Unter extrem stressigen Arbeitsbedingungen scheinen manche Psychopathen leistungsfähiger zu sein, als gesunde Menschen. Zu diesem Ergebnis kommen Blickle & Schütte (2017) in ihrem Trendbericht zur Psychopathie am Arbeitsplatz.

Diese Art Psychopathen besitzt Eigenschaften, die sie für unser derzeitiges Wirtschaftssystem interessant machen. Darin mag auch ein Grund liegen, warum man speziell in Wirtschaftsmagazinen immer wieder Artikel liest, die narzisstische und psychopathische Persönlichkeitsmerkmale in ein möglichst gutes Licht rücken wollen. Auf der anderen Seite existieren aber sicher genauso viele populärwissenschaftliche Beiträge, die Psychopathen durchweg verteufeln und ihnen die Schuld für so ziemlich alles geben. Beides ist so sicher nicht ganz richtig und oft wenig hilfreich.

Zum Teil liegt das Problem darin, dass das bisherige Konzept der Persönlichkeitsstörungen wie bereits erwähnt keine genaueren Differenzierungen zulässt. Jede Persönlichkeitsstörung setzt sich aus verschiedenen Bereichen und Eigenschaften zusammen, die sich jeweils auf einem Spektrum von nicht vorhanden bis extrem ausgeprägt bewegen.

Das bedeutet auch, dass ein einzelner Begriff wie "Psychopathie" niemals alle individuellen Ausprägungen erfassen können und zwangsläufig eine heterogenese Masse von verschiedensten Personen abbildet, die oft nur geringe Gemeinsamkeiten haben. Mit anderen Worten vergleichen wir Äpfel mit Birnen, wenn wir zwei Psychopathen miteinander vergleichen, die in verschiedenen Merkmalen unterschiedliche Ausprägungen aufweisen.  Zum anderen betrachten viele dieser Studien Psychopathie eher unter dem Aspekt der Leistungsfähigkeit des Psychopathen.

Auch wenn Psychopathen hier überdurchschnittliche Ergebnisse erzielen können und häufig die Karriereleiter erklimmen, bleibt doch fraglich, über wie viele berufliche Leichen sie klettern oder wie viele langfristige Schäden sie anrichten. Vor allem in Bereichen und über Zeiträume hinaus, die von den jeweiligen Studien gar nicht erfasst werden.

Ist Psychopathie heilbar?

Leider sind die Therapieaussichten bei Psychopathie sehr schlecht. Persönlichkeitsstörungen gelten allgemein als ziemlich behandlungsresistent, was jedoch auch von der Art der Störung, deren Ausprägung und begleitenden Faktoren abhängt.

Bis heute gibt es kein standardisiertes Therapieverfahren für Psychopathie und wenig methodenübergreifende Erfahrungswerte. Viele berichten, dass die Schematherapie nach Young hin und wieder gute Erfolge erzielen soll. Allerdings ist auch hier nicht immer eindeutig, welcher Grad von Psychopathie vorlag und wie die begleitenden Faktoren aussahen.

Hinzu kommt, dass für eine Therapie wesentliche Voraussetzungen wie Krankheitseinsicht oder Therapiemotivation bei Störungsbildern wie Psychopathie oder Narzissmus von Natur aus nicht gegeben sind. Das macht es höchst unwahrscheinlich, dass ein Psychopath freiwillig eine Therapie aufsucht, weil er sich gar nicht für krank oder behandlungsbedürftig hält.

Daher stammen die meisten Erkenntnisse aus der Therapie von verurteilten Straftätern, denen eine therapeutische Behandlung vom Gericht auferlegt wurde. Auch hier muss wieder genau hingesehen werden. Wirken sich positive Therapieergebnisse beispielsweise strafmindernd aus, kann man von einer hohen Motivation der behandelten Straftäter ausgehen, sich nach außen so "geheilt wie möglich" darzustellen.

Nicht zuletzt durch die großartige Arbeit der amerikanischen Psychiaterin und Professorin für klinische Psychologie, Judith Herman, beginnt man in Fachkreisen Störungsbilder wie Narzissmus oder Psychopathie als Traumafolgestörung bzw. Trauma bedingte Entwicklungsstörung wahrzunehmen.

Schuldfähig oder nicht?

Auch wenn mittlerweile einige Zusammenhänge zwischen Hirnveränderungen und Psychopathie gefunden wurden, gibt es doch immer wieder Menschen mit denselben Auffälligkeiten wie bei Psychopathen, die jedoch nie straffällig werden.

Ein Hirnscan alleine wird also auch in Zukunft nicht ausreichen, um jemanden schuldfrei zu sprechen oder zu verurteilen. Sonst könnte man im Umkehrschluss auch gleich alle Menschen mit ähnlichen Mustern im Hirnscan vorsorglich wegsperren, selbst wenn sie noch nie einer Fliege was zuleide getan haben. Das wäre zutiefst unethisch.

Tatsächlich kann jedoch die Feststellung eines hohen Psychopathie-Scores zu Strafmilderung oder Schuldunfähigkeit führen. Im deutschen Strafgesetzbuch (StGB) heißt es dazu in §20 - Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen

§20 deutsches Strafgesetzbuch

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Doch selbst wenn einem Straftäter aufgrund einer krankhaften seelischen Störung Schuldunfähigkeit attestiert wird, bedeutet das nicht, dass er straffrei davon kommt. In diesen Fällen entscheidet ein Psychiater darüber, was weiter mit dem Straftäter geschehen soll. Da stark psychopathische Straftäter oft eine hohe Rückfallquote haben, können sie eine anhaltende Gefahr für die Gesellschaft darstellen.

Deshalb kommen solche Menschen häufig nicht in die normale Haftanstalt, sondern in den "Maßregelvollzug", also in die forensische Psychiatrie mit möglicher anschließender Sicherheitsverwahrung. Ob sie dort je wieder rauskommen, hängt ebenfalls Gutachtern ab, denn es werden in gewissen Abständen Beurteilungen darüber abgegeben, als wie gefährlich der jeweilige Straftäter aktuell eingestuft und wie hoch seine Rückfallwahrscheinlichkeit eingeschätzt wird.

Klar ist auch, dass kein Gutachter derjenige sein möchte, der einen gefährlichen Straftäter "zu früh" auf freien Fuß gesetzt hat, sodass dieser dann rückfällig wird und Menschen zu Schaden kommen. Deshalb wurde schon oft kritisiert, dass manche Menschen möglicherweise zu lange weggesperrt bleiben.

Auf der anderen Seite muss abgewogen werden, dass bei einer Fehlbeurteilung andere zu schaden oder in Extremfällen sogar ums Leben kommen können, wenn beispielsweise ein psychopathischer Mörder in der Freiheit einen Rückfall erleidet. Da möchte man nicht in der Haut der forensischen Fachkräfte stecken, die solch schwere Entscheidungen zu treffen haben.

Hier hat sich aber in den letzten Jahren einiges getan. Zum Beispiel hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 4.5.2011 entschieden, dass die alte Form der Sicherheitsverwahrung verfassungswidrig ist und die Auflage erhoben, dass den Straftätern ein "umfassendes Therapieangebot" gemacht werden muss. Denn vom Wegsperren allein wird sich kaum etwas verbessern. Selbst dann, wenn die Erfolgsaussichten einer Therapie eher mager sind.


Moralisch betrachtet: Die Welt als Virtual-Reality

Vom moralischen Standpunkt aus stellt sich nach einer Tat die Frage, ob jemand die Möglichkeit hatte, anders zu handeln. Die meisten aktuellen Untersuchungsergebnisse deuten darauf hin, dass dies auch bei Psychopathen der Fall ist. Doch sehen sie aufgrund ihres grandiosen Selbstverständnisses und ihres Welt- und Menschenbildes häufig gar keine Veranlassung dazu. Ähnlich wie Narzissten scheinen sie ihr Leben und die Menschen darin eher wie eine Art Theaterstück wahrzunehmen.

Oder moderner ausgedrückt befinden sie sich gefühlt in einer Art Cyber-Realität, in der nur sie selbst wirklich real sind. Alle anderen darin nehmen sie wie Spielfiguren wahr, die man zum eigenen Zweck manipulieren kann. Als wären die anderen zweidimensionale Pappschilder.

Legt man all das zugrunde, dann handeln Narzissten und Psychopathen in Übereinstimmung mit der Art, wie sie sich selbst und andere erleben. Wenn man das Gefühl hat, in einer nicht realen Computersimulation zu leben, ist es vielleicht ein wenig nachvollziehbarer, dass jemand keine Schuldgefühle über das empfindet, was er den Spielfiguren antut.

Unterschiede abenteuerlicher Persönlichkeitsstil vs. Psychopathie

Persönlichkeitsstile sind nicht pathologisch. Jeder Mensch tendiert in seiner Persönlichkeit in eine bestimmte Richtung, die sich anhand typischer Muster beschreiben lässt. Persönlichkeitsstörungen kannst du dir als ins Extreme und Krankhafte verzerrte Auswüchse bestimmter Persönlichkeitsstile vorstellen.

In diesem Sinne können Persönlichkeitsstile als nicht krankhafte Vorstufen von Persönlichkeitsstörungen gesehen werden. Wobei Vorstufe hier nicht bedeutet, dass sich aus einem Persönlichkeitsstil später eine Persönlichkeitsstörung entwickelt.


Abenteuerlicher Persönlichkeitsstil

Menschen mit abenteuerlichem Persönlichkeitsstil suchen den Nervenkitzel und gehen gerne Risiken ein. Sie such das Abenteuer und die Herausforderung. In hitzigen Situationen bewahren sie weitaus länger die Nerven, als Menschen mit anderen Persönlichkeitsstilen.

Manche von ihnen tanzen auf dem schmalen Grad zwischen Leben und Tod. Das zeigt sich auch in ihren Freizeitaktivitäten. Viele Menschen mit einem abenteuerlichen Persönlichkeitsstil betreibe gefährliche Extremsportarten, sofern sie diese nicht ohnehin zum Beruf gemacht haben.

Sie gelten als sehr überzeugend und haben die Fähigkeit, schnell Kontakte zu knüpfen und Freundschaften zu schließen. Dabei fühlen sie sich jedoch selten für andere verantwortlich oder empfinden Schuldgefühle über etwas, das sie in der Vergangenheit getan haben. In ihren Augen ist jeder erwachsene Mensch selbstverantwortlich. Deshalb weisen sie häufig jede Schuld von sich.

Ein Mensch mit abenteuerlichem Persönlichkeitsstil hasst Einschränkungen jeder Art. Am liebsten ist er frei in seinen Entscheidungen. Deshalb arbeiten viele Menschen dieses Typs selbstständig, als Freiberufler oder in Führungspositionen, da sie sich nicht gerne von anderen sagen lassen, was sie zu tun haben.

Psychopathen erkennen: Darauf musst du achten

Psychopathen auf den ersten Blick zu erkennen ist kaum möglich. Viele pathologische Persönlichkeitsmerkmale zeigen sich erst später (oft zu spät) oder bleiben den meisten Menschen völlig verborgen. Menschen mit stark ausgeprägten psychopathischen Eigenschaften sind häufig sehr charmant, aber nicht jeder Charmebolzen ist gleich ein Psychopath. Am Ende setzt sich das Gesamtbild aus der Kombination verschiedener Eindrücke und Erfahrungen zusammen.

Im Folgenden erfährst du die wichtigsten Anzeichen dafür, dass du es mit einem Psychopathen zu tun hast. Vorher habe ich aber noch:

Eine Bitte an dich: Die Informationen auf dieser Seite sind nicht dazu gedacht, dich selbst oder andere zu "diagnostizieren". Das bleibt speziell ausgebildeten Fachkräften wie klinischen Psychologen und Psychiatern vorbehalten und hätte auch wenig Nutzen für den Alltag. Die hier angebotenen Informationen können dir als Hinweise dienen und helfen, dich im Zweifelsfall angemessen zu verhalten und Schaden abzuwenden. Kommst du aufgrund dessen, was du hier oder anderswo gelesen und gelernt hast zu dem Schluss, dass es sich bei einem anderen um einen Psychopathen, Narzissten oder dergleichen handeln könnte, dann sieh es bitte nicht als Diagnose sondern als "Arbeitshypothese" an. Vielen Dank!

Psychopathie Checkliste nach Robert Hare (PCL-R)

Hier ist die schon mehrmals erwähnte Psychopathie-Checkliste des kanadischen Kriminalpsychologen Robert Hare*4 in ihrer seit 1990 und bis heute gültigen überarbeiteten Version. Sie findet vor allem in der Beurteilung von Straftätern über die Vergabe des bereits mehrfach erwähnten Psychopathie-Scores Verwendung.

Dazu wird jedem der 20 Checklisten Punkte vom Gutachter ein Wert zwischen 0 und 2 zugeteilt. Dabei bedeutet 0 nicht vorhanden, 1 vielleicht / wahrscheinlich vorhanden und 2 definitiv vorhanden.

Es ist ein Psychopathie-Score zwischen 0 und 40 möglich. Dabei gelten Ergebnisse über 25 als hoch und ab einem Score von 30 oder höher spricht man in der Regel von einem Psychopathen.

Das Ergebnis kommt zum einen durch ein etwa zweistündiges Interview als auch durch Akteneinsicht des Straftäters sowie dessen bekannter Lebensgesichte zustande. Weichen seine Antworten von den Aktennotizen ab, wird dies als Lüge gewertet.

Der Test ist also speziell für die Beurteilung von Straftätern konzipiert und auch die Erfahrungswerte basieren auf den Testergebnissen von nordamerikanischen Strafgefangenen. Hinzu kommen Schwächen, die selbst Robert Hare schon angemerkt hat. Zum Beispiel, dass im PCL-R jedem Punkt das gleiche Gewicht gegeben wird. Es gibt jedoch gute Argumente dafür, die einzelnen Punkte unterschiedlich zu gewichten, da manche sicher als "gefährlicher" einzustufen sind, als andere.

Der PCL-R eignet sich also nur bedingt, wenn du überlegst, ob dein neuer Freund, deine Schwiegermutter oder dein Abteilungsleiter ein Psychopath sein könnte. Er kann aber wichtige Anhaltspunkte liefern, worauf du achten musst. Deshalb wollte ich ihn dir nicht vorenthalten. Die einzelnen Punkte können dir helfen, das Gesamtbild einer Person besser einzuschätzen.

Wenn du auf die einzelnen Items klickst, öffnen sie sich. Ich habe jedem Punkt eine kurze Beschreibung hinzugefügt. Diese stammt von mir selbst und gehört nicht zum offiziellen PCL-R.

01. Trickreich sprachgewandter Blender mit oberflächlichem Charme

Psychopathen sind bekannt dafür, Menschen um den Finger wickeln zu können. Sie gelten als charismatisch, überzeugend und wortgewandt. Manche scheinen von einer "hypnotischen Aura" umgeben zu sein, die Menschen unweigerlich in ihren Bann zieht. Dabei wirkt es so, als sei diese gefährliche Anziehungskraft umso ausgeprägter, je gefährlicher der Psychopath ist. So beschreiben Menschen aus dem Umfeld von (Massen-)Mördern wie Charles Manson, Jeffrey Dahmer oder des Sektenführers Jim Jones, auf dessen Konto das Jonestown-Massaker geht, ein angeordneter Massenselbstmord / - Mord, bei dem insgesamt 909 Menschen ums Leben kamen, dass diese Individuen die Fähigkeit besaßen, andere vollständig in ihren Bann zu ziehen.

02. Erheblich übersteigertes Selbstwertgefühl

Psychopathen sind ebenso wie offene Narzissten für ihren Egozentrismus bekannt. Die ganze Welt dreht sich um sie, die Bedürfnisse anderer sind unwichtig. Andere Menschen haben für sie nur insofern Relevanz, wie sie den Zielen des Psychopathen dienen oder zu seiner / ihrer Bedürfnisbefriedigung beitragen können.

03. Stimulationsbedürfnis (Erlebnishunger), ständiges Gefühl der Langeweile

Schnell aufkommende Langeweile und das daraus resultierende Stimulationsbedürfnis scheinen Untersuchungen zufolge besonders bei sekundären Psychopathen gehäuft vorzukommen.

04. Pathologisches Lügen (Pseudologie)

Das intentionale und ständige Lügen ist typisch für Psychopathen. Häufig wird auch Narzissten nachgesagt, dass sie pathologische Lügner wären, doch das ist nicht korrekt. Reine Narzissten lügen in der Regel nicht häufiger, als die Durchschnittsbevölkerung. Narzissten konfabulieren eher. Das heißt, sie verzerren Erinnerungen und füllen Erinnerungslücken so, dass sie in Übereinstimmung mit ihrem grandiosen Selbstbild sind.

05. Betrügerisch-manipulatives Verhalten

Da vor allem primäre Psychopathen stark zielorientiert sind, ist ihnen jedes Mittel recht, um zu bekommen, was sie wollen. Andere Menschen sind für sie wie Marionetten, die sie ausnehmen und manipulieren, wie es ihren eigenen Zwecken gerade dient. Dabei kann man nur fasziniert sein, wie geschickt sie dabei vorgehen. Oft bleibt die betrügerische Manipulation bis zum Ende unerkannt.

06. Mangel an Gewissensbissen oder Schuldbewusstsein

Dieses Merkmal trifft besonders auf primäre Psychopathen zu, die keinerlei Reue oder Schuldbewusstsein kennen. Treten Gewissensbisse zumindest in einem gewissen Rahmen auf, so deutet es darauf hin, dass man es eher mit einem sekundären Psychopathen zu tun hat.

07. Oberflächliche Gefühle

Psychopathen sind wie viele Narzissten nicht zu stabilen Bindungen fähig. Auch die Tiefe ihrer persönlichen Gefühle scheint eingeschränkt zu sein. Obwohl sie grundsätzlich jedes menschliche Gefühl empfinden können, kommen bestimmte Emotionen wie Neid bei ihnen deutlich ausgeprägter vor, als bei anderen Menschen. Den meisten ihrer Gefühle fehlt es an Tiefe, wobei sie jedoch destruktive Emotionen wie Neid, Hass oder Wut sehr ausgeprägt empfinden können.

08. Gefühlskälte, Mangel an Empathie

Die Unfähigkeit zu Empathie und Mitgefühl sind besonders kennzeichnend für primäre Psychopathen. Sekundäre Psychopathen, die in vielen Aspekten Borderlinern sehr ähnlich sind, sind bis zu einem gewissen Gard zu Empathie und Gewissen fähig.

09. Parasitärer Lebensstil

Metaphorisch ausgedrückt kann man sagen: Psychopathen und Narzissten sind innerlich leer. Sie saugen andere Menschen aus und zehren von deren Leben. Weil sie innerlich wie tot sind, stehlen sie die Lebendigkeit von anderen Menschen, um sich lebendig zu fühlen. Auf anderen Ebenen ist hiermit natürlich auch gemeint, dass Psychopathen und Narzissten andere Menschen betrügen und ausnutzen, sodass sie sich wie Parasiten von dem ernähren, was sie den Anderen stehlen.

10. Unzureichende Verhaltenskontrolle

Dieses Merkmal trifft besonders auf sekundäre Psychopathen zu. Primäre Psychopathen sind durchaus in der Lage, ihr Verhalten zumindest für eine Zeit zu kontrollieren, wenn es ihren Zielen dient.

11. Promiskuität

Promiskuität, also wahlloser Gelegenheitssex mit oft zufälligen Partnern, zeichnet sich zunehmend als Indikator für einen hohen Psychopathie-Score aus. Zu dem Ergebnis kommen mehrere Untersuchungen der letzten Zeit. Allerdings kommt Promiskuität nicht nur bei Psychopathie vor und es gibt auch Psychopathen, die zölibatär leben. Promiskuität kann ein Hinweis sein, sollte aber ebenso wie die anderen Faktoren immer nur im Gesamtbild betrachtet werden. Nicht jeder Mensch, der sich in einer Phase seines Lebens sexuell ausgetobt hat, ist gleich ein Psychopath.

12. Frühe Verhaltensauffälligkeiten

Psychopathie zeigt sich meist bereits früh im Leben der Betroffenen. Deshalb müssen die Symptome nach den Kriterien der DSM-V auch bereits vor dem 15. Lebensjahr aufgetreten sein, um die Diagnose stellen zu können.

13. Fehlen von realistischen langfristigen Zielen

Auch dieser Punkt gilt in erster Linie für sekundäre Psychopathen. Primäre Psychopathen sind durchaus in der Lage, in zumindest einem Lebensbereich langfristige Ziele mit hohem Einsatz zu verfolgen. Häufig ist das im Beruf der Fall. Paradoxerweise scheint ihnen das Erreichen dieser Ziele, obwohl sie so viel darin investiert haben, dennoch nicht viel zu bedeuten.

14. Impulsivität

Starke Impulsivität kommt vor allem bei sekundären Psychopathen vor.

15. Verantwortungslosigkeit

Psychopathen handeln häufig extrem verantwortungslos. Es scheint ihnen völlig egal zu sein, welcher Schaden anderen durch ihre Taten und Unterlassungen entsteht.

16. Mangel Bereitschaft / Fähigkeit, Verantwortung für eigenes Handeln zu übernehmen

Psychopathen weigern sich, Verantwortung für ihre Taten zu übernehmen. Das hat zu einem gewissen Teil auch mit dem grandiosen Selbstbild zu tun, das sowohl (primäre) Psychopathen als auch Narzissten haben. In ihrem Bild sind sie unfehlbar. Schuld sind die anderen oder die Umstände, niemals sie selbst. Deshalb sehen sie es auch nicht ein, Verantwortung für den Schaden zu übernehmen, den sie angerichtet haben.

17. Viele kurzzeitige (ehe)ähnliche Beziehungen

Letztendlich sind alle Persönlichkeitsstörungen Beziehungsstörungen. Da verwundert es nicht, dass Psychopathen nicht die nötige geistig-emotionale Ausstattung mitbringen, um dauerhaft stabile und tragfähige Beziehungen einzugehen. Dennoch scheinen viele Psychopathen einen Wunsch nach Nähe zu verspüren, weshalb manche von ihnen immer wieder Beziehungen eingehen, die jedoch nicht halten. Typisch ist dabei das auch bei Narzissten bekannte "Fast Forwarding". Die Beziehung schreitet zu schnell zu weit voran. Sie nimmt bereits nach Wochen eheähnliche Züge an, nur um kurz darauf ganz zu enden. Häufig auf unschöne und sehr verletzende Weise.

18. Jugendkriminalität

Da Psychopathie bereits in jungen Jahren beginnt und mit der Missachtung gesellschaftlicher Regeln und Normen einhergeht, wundert es nicht, dass viele Psychopathen bereits als Jugendliche dicke Strafakten füllen. Hierzu zählen auch viele jugendliche Intensivtäter.

19. Missachtung von Weisungen und Auflagen / Widerruf der Bewährung

Das antisoziale Verhalten ist ja bereits das erste Diagnosekriterium für die Psychopathie im engeren Sinne. Da verwundert es nicht, dass die Betroffenen enorme Schwierigkeiten haben, sich an Vorgaben oder Bewährungsauflagen zu halten, was häufig den Widerruf der Bewährung und eine erneute bzw. verlängerte Haftstrafe nach sich zieht.

20. Polytrope Kriminalität

Polytrope Kriminalität bedeutet, dass die Betroffenen Delikte aus verschiedenen Straftatbereichen und in unterschiedlicher Schwere begehen. Eine einzelne Person klaut beispielsweise eine Packung Kaugummi, vergewaltigt eine Frau auf dem Rückweg von einem Volksfest, demoliert ein fremdes Auto und begeht Wirtschaftsbetrug. Polytrope Kriminalität ist bezeichnend für Psychopathen.


Körpersprache: Starren Psychopathen wirklich mehr als andere?

Es gibt eine erst kürzlich veröffentlichte Studie von Gullapalli et al. (2021)*5 in der die Kopfdynamik männlicher psychopathischer Straftäter während klinischer Befragungen untersucht wurde. Dazu wurden die Videos der Interviews ausgewertet.

Dabei kam heraus, dass Probanden mit einem hohen Psychopathie-Score dazu neigen, den Interviewer oder die Kamera direkt "anzustarren" und im Vergleich zu nicht psychopathischen Menschen auffällig wenig Kopfbewegungen zeigen.

Diese Studie hat viel Aufsehen erregt. Ihre Ergebnisse sollten aber nicht unbedacht verwendet werden. Sonst vermutet man überspitzt formuliert in jedem, der im Gespräch nicht angemessen mit dem Kopf wackelt, einen Psychopathen.

Hier müssen sicher weitere Untersuchungen folgen. Eine geringe Kopfdynamik kann höchstens als einer von vielen Anhaltspunkten gelten, sicher nicht als einziges Kriterium (was die Studie allerdings auch nicht behauptet).

Hinzu kommt, dass die Auswahl der Studienteilnehmer nicht repräsentativ ist, da es sich hierbei ausschließlich um verurteilte männliche Straftäter mit hohem Psychopathie-Score gehandelt hat.

Wie du dich vor Psychopathen schützt: 6 nützliche Tipps

Triffst du auf jemanden, bei dem du das Gefühl hast, es könnte sich um einen Psychopathen handeln oder ist er bereits in deinem Leben, musst du dich schützen. Hier ist, wie das geht:

  • Vertraue deinem Bauchgefühl: Psychopathen, Soziopathen und Narzissten können enorm charmant und verlockend sein. Besonders am Anfang. Lernst du jemanden kennen und obwohl alles an ihm nahezu perfekt scheint, signalisiert dir dein Bauchgefühl, dass irgendetwas nicht stimmt: Vergiss die Worte, vertrau dem Gefühl!
  • Wenn es zu schön ist, um wahr zu sein, ist es nicht wahr: Es gibt ein Sprichwort das lautet: Wenn es aussieht wie eine Ente, watschelt wie eine Ente und quakt wie eine Ente, ist es eine Ente. Doch leider gilt das nicht für Psychopathen. Sie geben sich anfangs nie als das zu erkennen, was sie sind. (Triggerwarnung): Auch Hannibal Lecter ist nicht auf seine Opfer zugegangen und hat gesagt: "Übrigens, ich würde dich gerne unter Drogen setzen und dann gemeinsam mit dir dein Gehirn essen. Hast du Bock?" Psychopathen verstellen sich und geben vor, etwas ganz anderes zu sein, als sie in Wahrheit sind. Ihr wahres Gesicht zeigt sich erst später. Doch wenn dein Bauchgefühl nicht stimmt UND alles ein bisschen zu schön ist, um wahr zu sein, sei versichert, das ist es auch nicht.
  • Entferne den Psychopathen aus deinem Leben: Und zwar so schnell wie möglich und so taktisch clever wie nötig. Natürlich solltest du einen Psychopathen gar nicht erst in dein Leben lassen. Aber manchmal kann man es sich nicht aussuchen und oft merkt man erst zu spät, mit wem man es zu tun hat. Natürlich wäre es das Beste, man würde ihn oder sie so schnell wie möglich aus dem eigenen Leben ausschließen. Das kann jedoch mitunter gefährlich werden, wenn der Psychopath Wind davon bekommt. Hier ist es manchmal sinnvoller, taktisch klug vorzugehen, was im Einzelfall auch bedeuten kann, sich langsam und unauffällig von dem Psychopathen zu verabschieden.
  • Wisse, dass du Psychopathen nicht ändern oder heilen kannst: Einer der schlimmsten Fehler, den du in Bezug auf Psychopathen machen kannst, ist der Fantasie zu erliegen, du könntest ihn oder sie retten oder heilen. Niemand kann das! Es bedarf eines langen und hoch professionellen Prozesses, um zumindest einige der antisozialen Verhaltensweisen von Psychopathen mit niedrigem Psychopathie-Score auch nur etwas zu lindern. Dazu benötigt es speziell ausgebildete Therapeutinnen / Therapeuten mit viel Erfahrung und Nerven wie Drahtseile. Noch wichtiger ist aber die Krankheitseinsicht und Therapiebereitschaft des Psychopathen und die ist so gut wie nie gegeben. Also: Vergiss es!
  • Triff keine Vereinbarungen mit ihnen: Mit Menschen, die kein Gewissen haben und hoch manipulativ nur ihre eigenen Ziele verfolgen, trifft man keine Vereinbarungen. Lange Geschichte kurz erzählt! Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich bei der Vereinbarung um ein Ehegelübde oder eine geschäftliche Übereinkunft handelt. Niemals. Nie!
  • Suche dir professionelle Hilfe: Psychopathen können gefährlich werden. Manche für Leib und Leben, andere für deinen guten Ruf oder deine finanzielle Existenz. Nahezu alle für deine geistige Gesundheit. Sollte dir ein Psychopath zugesetzt haben, suche dir bei entsprechenden Fachleuten professionelle Hilfe. Je nachdem, wo deine Probleme liegen. In manchen Fällen ist die Polizei oder eine gute Rechtsanwältin die richtige Adresse, in anderen dein Hausarzt, die Telefonseelsorge, ein Frauenhaus, ein spezialisierter und mit dem Thema sehr erfahrener Coach oder eine geeignete Psychotherapeutin. Selbst wenn du dir nicht sicher bist, wo du dich melden sollst, kann dir in der Regel jede einzelne Anlaufstelle helfen, das für dich passende Hilfsangebot zu finden. Aber bitte: Suche dir auch wirklich Hilfe. Niemand schafft das alleine und auch du musst das nicht. Egal wie schlimm die Lage ist, es gibt immer Grund zur Hoffnung.

Du siehst, einen Psychopathen zu erkennen ist gar nicht so einfach. Dieser Artikel hat dir wichtige Hinweise geliefert. Doch selbst wenn du einen vermeintlichen Psychopathen in deinem Leben ausgemacht hast, kann der Umgang mit ihm eine große Herausforderung darstellen. Viele fühlen sich hilflos überfordert und haben Angst.

Falls du dich angesprochen fühlst, warte nicht, bis es zu spät ist. Der Schaden wird nur größer. Wende dich an die offiziellen Hilfsangebote und such dir jede professionelle Hilfe, die du bekommen kannst.

Wenn du möchtest, lass mich dir dabei helfen und bewirb dich auf einen freien Coachingplatz. In den vergangenen zehn Jahren habe ich mehrere hundert Menschen auf genau diesem Weg begleiten dürfen und ihnen geholfen, ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden. Egal, wie schlimm es sich gerade anfühlt: Es gibt ein Leben danach!

Andreas


Literatur:

*1 Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-5, Deutsche Ausgabe herausgegeben von Peter Falkai und Hans-Ulrich Wittchen, S. 903ff., Hogrefe GmbH & Co. KG, 2. korrigierte Auflage 2018
*2 Personality Disorders Revisited, Sam Vaknin, 1st Edition, Narcissus Publications Imprint, Prague & Skopje 2007
*3Psychopathinnen - Die Psychologie des weiblichen Bösen, Lydia Benecke, Bastei Lübbe AG 2018
*4 Psychopathy, the PCL-R, and Criminal Justice: Some New Findings and Current Issues, Canadian Psychology, 57, 21-34, Obschonka, M., Andersson, H., Silbereisen, R. K., & Sverke, M. (2013)
*5 Quantifying the psychopathic stare: Automated assessment of head motion is related to antisocial traits in forensic interviews, Gullapalli, Aparna R., Anderson, Nathaniel E., Yerramsetty, Rohit, Harenski, Carla L. & Kiehl, Kent A. (2021), Journal of Research in Personality, 92, doi:10.1016/j.jrp.2021.104093

Veröffentlicht: Juli 8, 2022

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*Die Informationen auf dieser Seite sind kein Ersatz für eine Diagnose, Behandlung oder fundierte professionelle Beratung. Sie dienen lediglich als Hinweise und sind nicht dazu gedacht, dich selbst oder andere zu "diagnostizieren". Du solltest keine Maßnahmen ergreifen oder unterlassen, ohne eine qualifizierte psychologische Fachkraft zu konsultieren.

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